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Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition)

Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition)

Titel: Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz C. Frey
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an jenem Sonntag, als er, wachgekitzelt von der Sommersonne, seine Hand nach Anna ausgestreckt hatte.
    Ihre achtjährige Tochter Antonia, ein Frühaufsteher wie alle Kinder, würde wahrscheinlich bereits in ihrem Zimmer mit ihrer Holzpuppe spielen, die sie mindestens einmal pro Woche umtaufte. Diese Woche hatte ihr Auguste gefallen, wenn sich Singer recht erinnerte. Oder sie würde vielleicht lesen. Seit sie die Abenteuer des Lügenbaron Münchhausen für sich entdeckt hatte, kam sie morgens seltener zum Kuscheln ins Bett ihrer Eltern.
    Zeit und Gelegenheit also für die jungen Eltern, sich ein wenig miteinander zu beschäftigen. Singer würde unter der leichten Sommerdecke auf Forschungsreise gehen und beginnen, Annas Bauch sanft zu küssen, dann langsam hinabgleiten, während seine Hände ihre …
    Doch seine Hand tastete ins Leere. Als er die Augen öffnete, sah er, dass er heute Morgen tatsächlich allein in dem grün gestrichenen Holzbett lag. Neben ihm befand sich nur das zerwühlte Laken – Anna hatte sogar ihre Überdecke mitgenommen. Singer warf einen schläfrigen Blick auf seine Armbanduhr, 6:45 Uhr. Heller Morgen, ja – aber noch mindestens eine Stunde zu zeitig, um das Frühstück zuzubereiten, was sie sonntags ohnehin traditionell gemeinsam machten. Wie eine richtige kleine Familie , pflegte Singer dann stets grinsend zu sagen, und bis zu jenem Morgen hatte es tatsächlich so ausgesehen, als würden sie diese Tradition noch eine Weile pflegen.
    Er war, lediglich mit einem T-Shirt, Unterhose und einer immer noch recht ansehnlichen Erektion bekleidet, nach unten gegangen und hatte Anna auf der Couch in der Diele vorgefunden, eingehüllt in ihre Decke wie ein frierendes Kind, obwohl die ersten Sonnenstrahlen das Zimmer bereits durchfluteten. Ihr Körper hatte sich eiskalt und fremd angefühlt. Kühl und merkwürdig klamm, wie etwas, das die Nacht über draußen im Garten gelegen hatte. Nur ihre Wangen glühten rot, als wäre sie von einem heftigen Fieber befallen. Das Schlimmste war allerdings ihr Blick, der leer und stumpf auf die gegenüberliegende Wand gerichtet war – bei diesem Blick war Singer auf der Stelle jede Lust an körperlichem Vergnügen vergangen. Ihre fragenden Augen hatten durch ihn hindurch geblickt und sie hatte leise zu schluchzen begonnen, als er sie in seine Arme zog. Er hielt ihren schlanken Körper an sich gepresst, und während er dies tat, konnte er spüren, wie die Feuchtigkeit ihrer erhitzten Wangen durch den Stoff seines T-Shirts drang. Gott, wie lange saß sie schon hier unten und weinte?
    Wäre Singer in diesem Moment ihrem verwirrten, traurigen Blick begegnet, hätte er vielleicht den Eindruck bekommen, dass sie einen winzigen Teil ihrer Persönlichkeit zurückgelassen hatte in dem Traum, aus dem sie soeben erwacht war. Und er hätte sich vielleicht gefragt, wie lange schon seine junge Ehefrau nächtliche Wanderungen durch das Haus unternahm.
    Irgendwann war Antonia die Treppe heruntergetapst gekommen, völlig vertieft in munteres Geplapper mit ihrer Puppe. Anna hatte tapfer ihre Tränen fortgewischt und Singer ein Lächeln geschenkt, das beinahe echt wirkte.
    Der darauffolgende Winter war so ungefähr der Zeitpunkt gewesen, an dem der Wasserpegel kaum merklich, aber unaufhaltsam zu steigen begonnen hatte, sozusagen. Die Dinge hatten sich Stück für Stück vom Ufer gelöst, waren in den Fluss gefallen und wurden rasch davongetrieben, von einer immer stärker werdenden Strömung. Zuerst waren es winzig kleine, kaum merkliche Stücke gewesen. Treibgut, nichts Nennenswertes, kleine Blätter und Stöckchen, die den Fluss hinabdümpelten. Doch dieser Fluss hatte allmählich Fahrt aufgenommen und über die Jahre immer größere Brocken aus Annas Seele mitgerissen. Er war zu einem breiten Strom angewachsen und zum Schluss hatte er ganze Landstriche überflutet. Und sie waren voneinander weggetrieben, letztlich nur zusammengehalten von der lächerlichen Schmierenkomödie, die sie ihrer Tochter vorspielten. Die sie ihr fast zehn Jahre lang vorgespielt hatten, bis die Masken der Schauspieler so dünn wie Pergament geworden waren und ihnen die Schminke in großen Stücken von den Gesichtern bröckelte wie Putz von einer schimmeligen Fassade.
    Zum Schluss war Anna eine andere gewesen, verbi ttert und mürrisch, mit tiefen Sorgenfalten um die Mundwinkel ihrer ehemals vollen Lippen. Graue Strähnen hatten ihr stumpfes, ungepflegtes Haar durchzogen. Aus sympathischen kleinen Eigenheiten

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