Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition)
seit Jahren mit einer Ladung Stahlträger um die Wette rostete, rundete das anheimelnde Bild zügellosen Verfalls ab. Das einzig fahrtaugliche Vehikel unter dem großen, windschiefen Wellblechdach schien ein roter Jeep Wrangler zu sein, der seine besten Jahre wohl irgendwann Mitte der Achtziger gehabt hatte. Von der Lackierung des Wagens war nur noch eine blassrosa Ahnung von Farbe vorhanden, dafür aber eine um so dickere Kruste von Schlammspritzern. Abgesehen von unzähligen rostüberzogenen Schrammen und Beulen machte der robuste kleine Geländewagen allerdings einen zumindest halbwegs intakten Eindruck.
Das gesamte Betriebsgelände war von einem übermannshohen Gitterzaun umgeben, an dessen oberen Ende ein verwitterter Stacheldraht lose im Wind baumelte.
Obwohl auf der gesamten eingezäunten Fläche keinerlei Bewegung auszumachen war, stapften sie weiter den seitlich daran vorbeiführenden Wanderweg entlang und bemühten sich, den Eindruck harmloser Wanderer zu erwecken. Sie hatten zwar nicht direkt das Gefühl, beobachtet zu werden, aber sie vermieden es trotzdem, mehr Aufsehen zu erregen, als es für ihr Unternehmen unbedingt nötig war. Außerdem wollte Singer sich die Gebäude, und ganz besonders das aus Stein, zunächst in Ruhe von hinten betrachten. Verständlicherweise legte er keinen allzu großen Wert auf Überraschungen wie Kameras und plötzlich auftauchende Hunde, während er versuchte, eine Rucksackladung TNT zu klauen.
Wahlander
W ährend die kleine Truppe ihren Marsch um das Gelände fortsetzte, kam Singer der Gedanke, dass sein Verhalten nicht gänzlich einer gewissen Ironie entbehrte. Immerhin legte er gerade ziemlich genau das Verhalten an den Tag, dessen ihn die halbe Welt fälschlicherweise bezichtigte – er benahm sich wie ein Terrorist. Selbsterfüllende Prophezeiung nannte man das wohl. War er tatsächlich gerade dabei, Sprengstoff zu stehlen, der mindestens ein kleines Haus in die Luft blasen konnte? Wenn er sich nicht bald zusammenriss, würde er demnächst wahrscheinlich noch Flugzeuge entführen, Bomben legen oder sich im Baumarkt mit einem Vorrat an Teppichmessern ausstatten.
Als sie die Gebäude umrundet hatten, holte Martin die grobe Decke aus der Reisetasche und half Singer dabei, sie über den Stacheldraht des Zauns zu werfen. Dann verschränkte er die Finger seiner Hände ineinander und ging ein wenig in die Knie, bis Singer seine Handflächen als eine Art Treppenstufe benutzen konnte. Dieser stieg sodann auf das wacklige Gebilde aus menschlichen Gliedmaßen, zog sich über die Decke und ließ sich auf die andere Seite des Zauns herunterfallen, wo er in die Hocke ging und einen Moment verharrte. Auf der Rückseite des großen Steingebäudes blieb alles reglos wie zuvor.
Singer rannte los. Seine Schritte verursachten ein gedämpftes Knirschen im Tiefschnee. Allerdings waren sie in der jungfräulichen Schneedecke hervorragend zu sehen, aber das war einfach nicht zu ändern, und in einer Stunde würde der harsche Wind auch diese Spuren wieder verweht haben. Hoffentlich.
Schließlich erreichte er das Hauptgebäude und rüttelte an dessen rostiger Hintertür. Sie war verschlossen. Er probierte die Fenster auf der Rückseite des Ziegelhauses und schließlich hatte er bei einem Erfolg. Das kleine Fenster links neben der Hintertür machte einen vielversprechend baufälligen Eindruck. Die Glassegmente ließen sich mühelos aus dem mürben Fensterkitt nach innen drücken und zersprangen mit einem lauten Klirren auf dem Fußboden des Raumes. Singer ging wieder in Deckung und lauschte. Als erneut jegliche Reaktion ausblieb, stand er auf, tastete eine Weile durch das Loch hindurch mit seinem Arm in der Schwärze hinter der Scheibe herum und fand schließlich den Griff des Verschlusses. Das kleine Fenster ging auf, Singer drückte sich mit einer schwungvollen Bewegung elegant auf den Fenstersims und schwang ein Bein durch die Öffnung, sodass er rittlings auf der schmalen Fensterbank saß. Er schaute aufmerksam ins Innere und zog dann das andere Bein nach. Singer blickte noch einmal zu seinen Freunden am Zaun zurück. Dann zog er das Fenster vorsichtig von innen zu und verschwand im Dunkel des Hauses.
Warten
D ie anderen warteten beinahe fünfzehn Minuten, ohne ein Lebenszeichen von Singer wahrzunehmen, der im Inneren des Haupthauses verschwunden war. Wäre das Spurenpaar vom Zaun zum Hauptgebäude nicht gewesen, hätte man den Hof weiterhin für gänzlich
Weitere Kostenlose Bücher