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Drachen der Finsternis

Titel: Drachen der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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verschlimmerten. Der Mann schien einen regelrechten Hass auf Christopher zu entwickeln, doch Christopher verstand ihn nicht. Er beugte sich seinem Willen aus Angst. Aus der gleichen Angst, die er in den Augen der Menschen hinter den Fenstern sah.
    Der Wind trieb den Schnee durch die Gassen wie Fetzen von papiernen Seiten. Wie lange hatte er kein Buch mehr gelesen? Er begann, sich nach Büchern zu sehnen, nach Geschichten, nach einem Ausweg aus jener kalten, geregelten, organisierten, überwachten Welt, in die er hineingeraten war.
    Nur Arne besuchte ihn noch in seinen Träumen, doch wenn er von seinem eigenen Husten aufwachte, war auch Arne verschwunden, und alles, was blieb, war das Gefühl der Ohnmacht. Arne war hier, und doch schien es keine Möglichkeit zu geben, ihn zu treffen. Oder war er gar nicht hier? War auch das ein Gerücht?
    Dreimal flogen Drachen über die geschmolzene Stadt. Hier sah Christopher sie zum ersten Mal zu mehreren. Und hier lernte er, dass sie Feuer speien konnten. Als er es zum ersten Mal sah, war es Nacht, und die bunten Flammen, die aus ihren schimmernden Körpern drangen, glühten hell im schwarzen Himmel.
    Hell wie ein Zeichen, das sie sich gegenseitig gaben. Ein Zeichen für was?
    Doch die Dächer der geschmolzenen Stadt blieben unangetastet vom Feuer der Drachen und unberührt von ihren Krallen. Sie flogen nur darüber – auf ihrem Weg in die Täler. Denn in dieser Stadt gab es nichts für sie zu holen, hier existierte nichts Fröhliches, keine Blumen, keine Farben. Noch waren sie nicht hungrig genug, um das Graubraun der Dächer zu fressen. Christopher lernte, sich mit den anderen auf einen scharfen, gebellten Befehl hin in den spärlichen Schatten der Hauseingänge zu drücken. Er zitterte gemeinsam mit ihnen, wenn die Schatten der Drachen über die vereisten Wege wanderten, langsam, suchend, als wären die Schatten selbst lebendige Wesen auf der Jagd nach Beute. Er zitterte gemeinsam mit den Übrigen, und dennoch war er ganz allein.
    An einem jener Drachen-Morgen, als sie wieder an einer Hauswand aufgereiht standen, ängstlich, beobachtend, dicht gedrängt im Schatten eines überhängenden Daches, sah er einen Mann und einen kleinen Jungen die Gasse entlangrennen. Der Schatten des Drachen glitt hinter ihnen durch die Gasse. Der Mann trug nicht die Tarnkleidung der Kämpfer, er musste zu den Bewohnern der Stadt gehören.
    Christopher sah die Angst in seinen Augen. Er sah den Mann auf die Mauer zulaufen, taumelnd im überfrorenen Schneematsch, den Jungen fest an der Hand. Doch an der Mauer, im Schatten des Daches, standen die Kämpfer. Dort war kein Platz für den Mann und seinen Jungen. Christopher wollte zur Seite rücken und merkte, dass keiner von den anderen es tat. Er sah, wie der Mann einen Arm ausstreckte, wollte seine Hand ergreifen, ihn in den Schatten ziehen –
    Doch der Kämpfer neben ihm schlug seine Hand wortlos herunter.
    In diesem Moment tauchte der Schatten des Drachen den fremden Mann und seinen Sohn in sekundenlange Dunkelheit. Dann war er vorüber, und das Rauschen seiner Flügel verschwand in der Ferne. Zwei bronzene Statuen kippten mit einem leblosen Krachen vor Christopher in den Schnee.
    Er starrte sie einen Moment lang an, vor Schreck gelähmt. Wäre auch seine Hand in den Schatten des Drachen geraten, wenn er sie wirklich ausgestreckt hätte? Wäre er zu Bronze geworden? Oder hätte er es schaffen können, die beiden zu retten?
    Seine Truppe ließ ihm keine Zeit zu überlegen.
    Die anderen hatten sich bereits von der Mauer gelöst und setzten ihren Weg fort. Christopher beeilte sich, sie einzuholen. Aber einige Tage später entdeckte er auf einem Übungsmarsch um die Stadt herum zwei neue Statuen auf der Lehmmauer.
    Erst da fiel ihm auf, dass er den kleinen Jungen kannte. Es war derselbe, mit dem er gesprochen hatte. Von da an verfolgten die bronzenen Statuen ihn in seinen Träumen.
    In diesen Wochen, in denen es schneite und schneite und er trotz seiner Erschöpfung nicht schlafen konnte, glaubte er, er würde sterben. Er würde einfach eines Tages den allerletzten Rest seiner Kraft verbraucht haben und umfallen und tot sein. Es würde sie nicht kümmern. Sie würden es kaum bemerken.
    Aber er fiel nicht um, und er starb auch nicht.
    Stattdessen fand er jemanden wieder. Es geschah in der Nacht, in der es endlich einmal aufhörte zu schneien.
    Christopher lag wach wie immer und kämpfte gegen den Husten an. Es war, als hinge sein Kopf oben unter der Decke

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