Drachenbraut
die Treppe hinunter, doch anstelle das Haus zu verlassen, drehte er sich zu ihr herum.
«Ich möchte, dass du hier wartest, bist es so weit ist. Da draußen sind zu viele unberechenbare Energien. Bleib hier, jemand wird zu dir kommen und dich holen, sobald die Zeit gekommen ist. Du musst nichts tun, als da zu sein, hast du mich verstanden?»
Er hatte ihr Gesicht in seine großen Hände genommen, sah sie eindringlich an. Worte des Protestes lagen ihr schon auf der Zunge, als sie das begriff, was er nicht sagte. Was nur seine zärtliche Geste ausdrückte, was in seinem sorgenvollen und doch so bestimmten Gesicht geschrieben stand.
Es war jetzt an der Zeit, den Kampf zu beginnen. Sein angestammter Platz war die vorderste Front. Der Himmel, der Horizont. Und ihr durch ihre Herkunft, durch ihr Blut bestimmter Platz war der Ort, an dem sie all ihre Kraft bündeln und konzentrieren konnte. Damit der Drache fliegen und kämpfen konnte.
Ihre Wege würden sich jetzt trennen. Unweigerlich. Sie nickte, küsste Valentin kurz auf die Lippen und trat dann einen Schritt zurück. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und verließ das Haus.
Josefine wandte sich um und lief langsam in das Wohnzimmer, wo noch wenige Stunden zuvor der Rat getagt hatte. Glassplitter glänzten auf dem dunklen Holzboden und knirschten unter ihren Schuhen. Sie setzte sich wieder auf den kleinen Hocker vor dem lackschwarzen Flügel.
«Was willst du jetzt tun?»
Hornets Stimme kam aus dem Nichts und sie wäre vor Schreck fast vom Hocker gefallen. Sie war davon ausgegangen, allein zu sein und hatte ihn in der Ecke gar nicht bemerkt.
«Warten. Musst du da nicht mit raus?»
Vage deutete sie in Richtung Garten, wo sie in der beginnenden Abenddämmerung schemenhaft die Gestalten der anderen Ratsmitglieder ausmachen konnte.
Sein Blick folgte ihrer Hand, als er zu einem der Sofas ging und sich darauffallen ließ. «Meine Magie funktioniert anders. Ich muss keinen Kreis ziehen. Sie beschwören. Es reicht, wenn ich zum Beginn des Rituals da bin.»
Josefine rutschte unruhig hin und her. Warten. Auf das Ende der Welt oder den Sieg gegen das Böse. Ihr Magen zuckte bei diesem Gedanken nervös zusammen und krampfhaft versuchte sie, das Chaos in sich etwas zu beruhigen. Keines der Ratsmitglieder hatte sonderlich panisch auf sie gewirkt. Angespannt und konzentriert, aber keine Spur von der nackten Angst, die jetzt begonnen hatte, ihr penetrant im Nacken hinaufzukriechen.
«Habt ihr so etwas schon mal gemacht?»
So etwas – das klang so belanglos. Sie schauderte und selbst die Luft, die sie einatmete, fühlte sich plötzlich kalt an. Welch ein Wahnsinn, dass niemand auf der Welt wusste, wie verloren sie alle ohne den Rat wären.
«Das ist unser täglich Brot.»
War das etwa Belustigung in Hornets Gesicht? Zumindest hatte er eine Augenbraue in die Höhe gezogen.
«Nur dass diesmal die Alben auf der andere Seite Schlange stehen, um hier den Wahnsinn zu verbreiten. Aber das ist ja Valentins Job.»
«Aha. Und deiner?» Ihre Nervosität schwang eindeutig in ihrer Stimme mit und ließ sie atemlos klingen. «Was ist dein Job? Was wirst du machen …?»
Sie plapperte. Das passierte nur sehr selten, aber wenn sie sehr aufgeregt war, sprach sie ohne nachzudenken. Ihr Kopf schien dann auf Dauersprechen umzustellen. Aber reden war in dieser Situation einfacher, als schweigsam herumzusitzen.
Hornet hingegen klang ganz ruhig und gelassen. «Meine Kraft einsetzen. Gegen das Böse.»
«Warum ausgerechnet hier?»
«Der Taunus ist ein verdammt magischer Ort. Die Menschen haben das fast vergessen, aber die Alben nicht.»
Josefine nickte zwar einmal kurz, aber zu verstehen war das für sie nicht wirklich.
«Und was bist du?»
Sie erwartete eine ausführliche und pragmatische Antwort, genau so, wie er bisher ihre Fragen beantwortet hatte. Aber Hornet schwieg und sah aus dem Fenster in die Dunkelheit. Stille breitete sich im Raum aus. Sie räusperte sich. Hatte er sie nicht gehört, oder wollte er nicht antworten?
Er fuhr sich mit beiden Händen, die wie immer, seit sie ihn kannte, in schwarzes Leder gehüllt waren, durch die raspelkurzen Haare an den Schläfen und musterte sie abschätzend.
«Ein Gott.»
Es dauerte eine ganze Weile, bis sie seine Worte begriff. Dann allerdings waren sie in der Lage, sogar ihre Nervosität vorübergehend unter sich zu begraben.
«Bitte was?»
Sie musste sich verhört haben.
«Ich bin ein Gott.»
Er klang sachlich. Nüchtern und
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