Drachenei
jedem Objekt entstehen können, das eine Kruste über einem flüssigen Kern hat. Tatsächlich gibt es viele Ähnlichkeiten zwischen diesen Strukturen und denen, die sich nahe dem ›Becken der Wärme‹ auf dem Merkur befinden. Aber wartet mal … Sie verlaufen in der verkehrten Richtung. Nach allem, was ich über das Verhalten des Krustenmaterials eines Neutronensterns, das unter dem Einfluss starker Magnetfelder steht, weiß, müssten die Grate sich nach den Magnetfeldlinien ausrichten.«
» Zu dem Schluss sind wir auch alle gekommen«, meinte Seiko. » Das sind keine gefalteten Grate, wie sie beim Zusammenbruch von Krustenmaterial entstehen. Außerdem haben wir die Rotationsgeschwindigkeit des Sterns überwacht, und wenn es gestern einen Einbruch von dieser Größenordnung gegeben hätte, wäre eine Verzögerung in der Periode aufgetreten. Es hat aber keine gegeben.«
» Und nun«, sagte Abdul, » zeig ihm die eigentliche Sensation.«
Seiko zog ein zweites Blatt unter dem ersten hervor.
» Das hier wurde um 0648 aufgenommen, kurz bevor Dr. Wong eine Laservermessung des Gebiets beendete.«
Ohne weiteren Kommentar reichte sie Pierre das Blatt.
Pierre sah ein langes ovales Gebilde mit zehn ovalen Punkten ringsherum und einem in der Mitte. Die äußeren Punkte waren durch kurze, spitz zulaufende Hörner mit dem großen Oval verbunden. Es waren Spuren zu erkennen, dass zwei weitere Punkte das symmetrische Muster vervollständigen würden.
» Das Oval scheint von Osten nach Westen zu verlaufen«, bemerkte Pierre.
» So ist es.« Seiko sprach mit der ruhigen Sicherheit eines Menschen, der sich die Mühe gemacht hat, die Sache nachzuprüfen. » Die Hauptachse weicht weniger als ein Tausendstel Grad vom magnetischen Osten ab, sodass das Muster von magnetischen und nicht von der Rotation herrührenden Effekten beherrscht wird. Aber die Linien, die das Oval bilden, verlaufen nicht gerade von Osten nach Westen, wie es alle anderen Klippen und Grate in diesem Gebiet tun.«
» Es sieht wie etwas aus, das in die Länge gezogen ist.« Pierre hielt sich den Ausdruck vor die Augen. » In diesem Winkel sieht es gerade so aus wie ein Sheriffstern in einem alten Western, komplett mit einem Einschussloch in der Mitte. Aber es ist nicht komplett; es hat nur zehn Spitzen.«
Er sah die anderen an, und diese beobachteten, wie sich sein Gesichtsausdruck von anfänglicher Überraschung in Argwohn wandelte.
» Ihr wollt mich auf den Arm nehmen«, sagte er.
» Nein«, versicherte Cesar. » Wir sind todernst. Aber ich wusste, du würdest es kaum ohne bessere Beweise akzeptieren. Deshalb habe ich Seiko das Teleskop mit den Filtern für direkte Beobachtung ausrüsten lassen.«
An Cesars Ton erkannte Pierre, dass das kein Jux und der Ausdruck echt war – und er schoss geradezu den Gang hinunter auf die Teleskopkontrolle zu. Schnell überprüfte er die Filteranordnung und drehte den Schalter, der das Sichtfenster öffnete. Das Licht strahlte von oben und unten auf die weiße mattierte Glastischplatte inmitten des Raums. Pierre schwebte dorthin. Er hing über dem gleißenden Bild und justierte die Schwellenkontrollen, bis das sich drehende Abbild auf dem Tisch langsamer wurde und schließlich stehen blieb. Er fand das symmetrische blumenähnliche Diagramm.
Die anderen waren ihm inzwischen gefolgt, und Pierre verkündete: » Das Diagramm ist jetzt komplett.«
Sie versammelten sich um den Tisch und sahen es sich an. Pierre flüsterte: » Es ist nicht nur komplett, es sind auch keine überflüssigen Linien da. Es kann keine andere logische Erklärung geben. Was es auch sein mag, es wurde von intelligenten Wesen hergestellt!«
» Von intelligenten Wesen!«, rief Seiko aus. » Das ist unmöglich! Die Oberflächengravitation dieses Sterns beträgt 67 Milliarden g, die Temperatur liegt bei 8200 Grad! Ein Wesen, das auf diesem Stern existieren könnte, wäre ein flacher glühender Pfannkuchen aus festen Neutronen!«
» Nicht aus Neutronen«, widersprach Pierre. » Meine Messungen zeigen, dass die äußere Kruste – obwohl das Innere des Sterns aus Neutronen besteht – keine größere Dichte als die eines weißen Zwergs hat, und ihre Zusammensetzung ist ziemlich komplex. Es kommen die meisten Atomkerne vor, die wir auch in der Erdkruste haben, nur sind sie neutronenreicher, und sie sind nicht von Elektronenwolken umgeben.«
Pierre war völlig verblüfft. Sie hatten eine Mission hier beim Drachenei zu erfüllen. Ihre Mission lautete, so
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