Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)
die Seelen der Erschlagenen hinter sich zu lassen. Zu lange hatte er sich nicht mehr gereinigt. Zu viele Tote galt es zu vergessen. Der Priester hatte ihm ins Gewissen geredet, dass er oft wiederkehren müsste, bis seine Schuld an den Toten beglichen sei. Dabei war schon der eine Weg zum Geisterhain schwer gewesen. Zwei Tage hatte er mit seinem Vater darüber gestritten. Der Alte hatte Angst gehabt, dass es ihm wie Bozidar ergehen würde. Sein Bruder war auf dem Rückweg vom Geisterhain von der Daimonin überfallen worden, die ihm sein Leben gestohlen hatte. Ilja konnte sich einfach nicht damit anfreunden, dass er nicht Bozidar war, dachte Volodi leicht verärgert. Er hatte ein anderes Schicksal als sein Bruder. Er musste sich anderen Versuchungen stellen.
Er sah hinüber zu der kleinen Hütte, die er mit Quetzalli bewohnte. Sie saß eingemummt in ein Wollkleid und eine Decke in der Sonne und rupfte einen schwarzen Hahn. Golden schimmerten ihre Armreife. Auch wenn sie einfache Kleidung trug, mochte sie ihren Schmuck nicht ablegen. Sie hatte verstanden, dass die meisten Drusnier sie für eine Sklavin aus dem Reitervolk der Ischkuzaia hielten. Von den Zapote hatte hier noch nie jemand etwas gehört. Ihr Reich war einfach zu fern.
Vielleicht wollte Quetzalli mit den Armreifen einfach nur deutlich machen, dass sie keine Sklavin war. Keine Sklavin trug Gold. Sie schien seinen Blick gespürt zu haben. Plötzlich sah sie auf, lächelte und winkte ihm zu. Allein, sie so zu sehen, schenkte ihm neue Kraft. Er würde sich an das Leben hier gewöhnen.
»Lässt du uns mal ein Weile allein, Grisha?«, erklang die Stimme des Vaters hinter seinem Rücken.
Der alte Schildträger sah ihn beschwörend an, nicht schon wieder einen Streit mit seinem Vater zu beginnen. Dann zog er sich in den Schatten des Langhauses zurück.
»Ich muss mit dir reden, Junge.«
Volodi drehte sich mit einem Seufzer um. Sein Vater hatte dunkle Ringe unter den Augen. Er sah müde aus. Auch ihn zermürbten ihre Streitereien. »Dein Weib, sie macht den Leuten hier Angst.«
Volodi lächelte spöttisch. »Dann schlägt sie ja ganz nach dir.«
»Zieh nicht alles ins Lächerliche. Es ist eine Sache, ob ich jemanden anschreie oder ab und zu den Knüppel tanzen lasse, wenn es sein muss. Mit deinem Weib ist das anders …«
»Ich kann mich noch gut erinnern, wie du den jungen Stepan dort vorne am Tor gehenkt hast. Und das nur, weil er einen Krug voller Weizen für seine alte Mutter gestohlen hatte.«
»Der Bastard hatte mir keine Wahl gelassen«, brauste sein Vater auf. »Es ist eine Sache, ob er während der Erntezeit einen Scheffel Weizen stiehlt oder ob er es zu Beginn eines Frühlings tut, in dem alle Hunger leiden. Wenn du erst auf meinem alten Stuhl sitzt und der Herr von Drei Eichen bist, dann wirst du besser verstehen, was ich meine.«
»Komm zur Sache. Was stört dich an Quetzalli?«
»Mich stört, dass sie kein vernünftiges Weib von hier ist. Aber das tut nichts zur Sache.« Er senkte die Stimme, was sonst so gar nicht seine Art war, und schlug das schützende Horn. »Mila hat sie heute Morgen gesehen. Wie sie diesen verdammten, schwarzen Hahn geschlachtet hat. Das war unheimlich.«
»Einen Hahn zu schlachten? Nur weil er schwarz ist?« Volodi lachte laut auf. »Seit wann schreckt dich das abergläubische Geschwätz von Weibern? Was ist schon dabei, einem Hahn im Morgengrauen den Kopf abzuhacken?«
»Wenn sie es so getan hätte, ganz sicher nichts. Aber so wie Mila es erzählt hat, hat sie sich vor den Hahn gesetzt, bis er freiwillig zu ihr kam, und dann hat sie ihm das Herz aus der Brust gerissen und es in einer kleinen Kupferschale hinter eurem Haus verbrannt. Mila hält sie jetzt für eine Hexe, und sie hat die Geschichte schon herumgetratscht. Das wird es für euch beide nicht einfacher machen, hier Fuß zu fassen. Warum tut diese Schl… dein Weib so was?«
Volodi war sich auch nicht sicher. »Für die Gefiederte Schlange vielleicht?«
»Eine Schlange mit Federn? Was soll das sein?«
»Ihr Devanthar.« Er dachte daran, wie er auf dem Altar gelegen und die schreckliche Kreatur aus dem Blutsee auftauchen gesehen hatte. »Ich werde mit ihr reden. Sie soll besser darauf ach ten, dass ihr niemand mehr zusieht.« Plötzlich musste Volodi lächeln. Die Lösung war noch viel einfacher. »Außerdem hatten wir doch nur einen schwarzen Hahn. Es wird also nicht wieder vorkommen.«
»Der Große Bär mag es nicht, wenn man in seinen Wäldern
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