Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)
verbliebenen Mauerbogen des Aquädukts in diesem Viertel war eine hölzerne Plattform auf Stelzen errichtet worden. Im Wind, der vom Großen Fluss den Hang des Weltenmunds heraufwehte, flatterten die Banner der Unsterblichen.
Hierher kamen die Bittsteller aus den Ruinen, die Baumeister, die aus allen Ländern Daias herbeigerufen worden waren und sich bemühten, wieder Ordnung in die halb zerstörte Stadt zu bringen. Freiwillige Helfer meldeten sich hier und wurden Trupps zugeteilt, die damit begonnen hatten, systematisch die Trümmer zu beseitigen. Diese Plattform war zum Herzen der Goldenen Stadt geworden. Alle Entscheidungen von Bedeutung wurden hier getroffen.
Beim Näherkommen sah Artax Labarna, den Unsterblichen von Luwien, der alle Männer um sich herum überragte. Der Herrscher trug nur eine schlichte, braune Tunika. Seine Hände waren aufgeschürft. Er war sich nicht zu schade, selbst mit anzupacken, wenn es galt, schwere Gesteinsbrocken zu bewegen. Als er Artax bemerkte, winkte er ihm aufgeregt zu. »Ein Wunder ist geschehen!«
Artax erklomm dicht gefolgt von Ashot die kurze Leiter zur Plattform. Labarna kam ihm entgegen. Der Unsterbliche war über und über mit dem roten Staub geborstener Ziegelsteine bedeckt. »Wir haben noch drei Überlebende gefunden. Beim Platz der tausend Zungen. Sie waren in einem Gewölbe verschüttet. Es gab dort Wasser und ein wenig zu essen. Sie sind völlig abgemagert und zu schwach, um auf den Beinen zu stehen, aber sie leben. Und das dreiundzwanzig Tage nach dem Erdbeben. Es ist unglaublich! Ein Wunder!«
»Das ist gut«, sagte Artax begeistert. »Wirklich gut! Unsere Stadt braucht Wunder. Sie geben allen Kraft und neue Hoffnung.« Aus dem Augenwinkel sah Artax den Galgen hinter dem Aquädukt. Nicht alles, was Labarna tat, gefiel ihm. Gegen Plünderer war der Luwier unbarmherzig. Sie wurden hierhergebracht und gehenkt. Allerdings hatte Artax auch schon erlebt, dass Labarna im Zweifel für den Angeklagten entschied.
Artax sah sich um. Einige Würdenträger und Hauptleute standen auf der Plattform, Schreiber und auch zwei Baumeister, deren Aufgabe es war zu entscheiden, welche Gebäude noch zu retten waren und welche zur Sicherheit eingerissen werden sollten.
»Wo steckt Arcumenna?«
Labarna schnaubte verächtlich. »Er erholt sich von der Last der Verantwortung. Wie immer während der heißesten Tagesstunden. Wenigstens arbeiten seine Männer noch.«
Artax seufzte. Er hatte versucht, alle Unsterblichen dafür zu gewinnen, ein Zeichen zu setzen und den Einwohnern der Goldenen Stadt mit allen Mitteln zu helfen. Nur Labarna war ihm gefolgt. Krieger, die sich vor wenigen Wochen erst auf der Hochebene von Kush als Todfeinde begegnet waren, arbeiteten nun Seite an Seite. Madyas, der Unsterbliche, der über die Ischkuzaia herrschte, hatte seinen Sohn Prinz Subai, seinen Statthalter auf Nangog, angewiesen, ihnen zu helfen. Doch der ritt lieber mit seinen Adlern zur Jagd in die Wälder. Wenn er wenigstens den Daimonen nachstellen würde, über die sie nun immer mehr Berichte erhielten. Mit Schaudern dachte Artax an den Krokodilmann, dessen Leiche man ihm vor drei Tagen gezeigt hatte. Vielleicht konnte er den Prinzen ja bei seinem Stolz packen und ihn überreden, diesem gefährlicheren Wild nachzustellen. Bislang halfen nur einige wenige Männer seiner Leibwache bei den Aufräumarbeiten. Manchmal stolzierte Subai durch den Schutt und gab mehr oder weniger sinn volle Befehle.
Arcumenna, der Laris von Truria und Statthalter auf Nangog, vertrat den Unsterblichen Ansur von Valesia. Er bemühte sich nach Kräften. Wenn es nicht zu heiß war … Sein Herrscher hatte keinen einzigen der Arbeiter aus Selinunt abgezogen, der Weißen Stadt, die er in seinem Königreich errichten ließ. Sein Traum war es, die schönste Stadt Daias zu erbauen. Iwar, der Unsterbliche von Drusna, verfügte zwar über keine Mittel und Vorräte, aber er hatte fünfhundert kräftige Holzfäller geschickt, unter der Bedingung, dass andere sich darum kümmerten, sie zu verköstigen und zu bezahlen.
Die Zapote lehnten jede Zusammenarbeit mit ihm ab. Wahrscheinlich würde es wegen seines Überfalls auf den Tempel zum Krieg mit ihnen kommen, dachte Artax bitter. Ashot hatte recht: Er war dazu verdammt, von Schlachtfeld zu Schlachtfeld zu ziehen.
Der Statthalter der Schwimmenden Inseln war ebenfalls seinen eigenen Weg gegangen. Er organisierte den Wiederaufbau des Hafens und half dort – ohne sich mit jemandem
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