Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)
geschlagen, um sich von Geschwätz wie »dem Tod mannhaft entgegenzutreten« beeindrucken zu lassen. Er hatte Feiglinge wie Helden sterben sehen und war Helden begegnet, die wie Kinder weinend nach ihrer Mutter riefen, als sie verreckten. Er hoffte, er würde mit Anstand gehen. Sicher war er sich nicht.
»Was haben sie mit den …« Es widerstrebte Volodi, das Wort »Feiglinge« auszusprechen. »… mit den weniger Mutigen gemacht?«
»Zusammengeschlagen. Sie dürfen nicht unser Blut vergießen, denn das gehört der Gefiederten Schlange. Auch sollen wir nicht verprügelt aussehen. Aber glaub mir, diese Mistkerle können einem verdammt wehtun, auch ohne dass es Spuren hinterlässt.«
Wieder ertönte der langgezogene, dunkle Ton aus dem Schlangenschlund. Er erinnerte Volodi an ein Kriegshorn. Dieses Horn musste gewaltig sein!
»Komm, es ist so weit.« Eirik zog ihn mit sich. Sie nahmen in weitem Halbrund vor dem Schlangenmaul Aufstellung. Die Verprügelten hatten jeweils einen Jaguarmann an ihrer Seite, der sie halbwegs aufrecht hielt.
Ein drittes Mal erscholl der klagende Ton aus dem Schlangenmaul. Ein Priester mit einem Umhang, dessen Federkragen hoch über den Kopf des Würdenträgers aufragte und in seiner Farbenpracht mit dem Regenbogen über dem Weltenmund wetteiferte, kam feierlich die beleuchteten Treppenstufen hinaufgeschritten. Sein Gesicht war mit schwarz-blauer Farbe tätowiert und wurde von stilisierten Schlangen geschmückt, die sich über seine Wangen hoch zur Stirn schlängelten. Zwischen Kinn und Unterlippe ragte ein blauer Stein aus seinem Fleisch.
Abgesehen vom Federmantel war der Priester nackt, und sein drahtiger Körper war mit breiten, schwarzen Streifen bemalt. Volodi hatte den Mann noch nie zuvor gesehen, aber er kannte das Messer, das er in Händen hielt. Es steckte in einer bunt bemalten Scheide und besaß einen mit Goldbeschlägen geschmückten, dunklen Knauf. Genau wie die Waffe, die er den Zapote vor so langer Zeit gestohlen hatte!
Hinter dem Priester trat ein Tempeldiener in rotem Lendenschurz ins Tageslicht. Der Mann war kahl geschoren und trug mit feierlicher Miene einen weißen Krug, auf den eine purpurne, sich windendende Schlange mit einem goldglänzenden Kopf gemalt war. Weitere Tempeldiener folgten mit Räucherpfannen, von denen in blaugrauen Schwaden Rauch mit einem süßlichen Aroma aufstieg.
»Atme nicht zu tief«, flüsterte Eirik ihm zu. »Dieser Rauch macht einen ganz benommen.«
Die Priester mit den Räucherpfannen teilten sich auf und nahmen hinter den Auserwählten Aufstellung, während der Hohepriester und der Mann mit dem weißen Krug im Schlund der steinernen Schlange stehen blieben.
Einige Augenblicke herrschte absolute Stille. Der feine Nieselregen hatte aufgehört, und goldenes Licht brach in breiten, scharf umrissenen Bahnen durch die Wolken. Da trat der Mann mit dem Krug vor und ging geradewegs auf den Auserwählten zu, der am linken Ende ihres Halbkreises stand. Mit einem leisen Befehl forderte er den Drusnier auf, in den Korb zu greifen.
Volodi konnte sehen, mit welchem Unbehagen sein Landsmann seine Hand durch die weite Öffnung des Kruges streckte. Als er sie zurückzog, war sie zur Faust geballt. Der Drusnier zögerte einen Moment, sie zu öffnen. Dann streckte er die Faust in Richtung des Hohepriesters im Federmantel. Langsam öffnete er die Hand und stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus. Er hatte einen weißen Stein gezogen.
»Mach es wie er«, raunte Eirik. »Nur mit etwas weniger Gestöhne. Wie ich schon sagte, die Zapote lieben es, wenn wir uns mannhaft geben. Sie behandeln uns dann mit Respekt. Das rettet uns nicht das Leben, aber es macht unsere Zeit hier angenehmer.«
Mit wachsendem Schrecken beobachtete Volodi, wie der Krug immer weiter in seine Richtung wanderte und ein weißer Stein nach dem anderen gezogen wurde. Er hatte einen Fehler gemacht. Er hätte sich an den Anfang der Reihe stellen sollen. Ein Griff in den Krug, und alles war entschieden. Rechts von ihm standen nur noch drei Auserwählte. Fünf weiße Steine waren bereits gezogen.
Eirik kam an die Reihe. Auch er zog einen weißen Stein und trotz seines Geredes über Mannhaftigkeit, stieß er einen leisen Seufzer der Erleichterung aus.
Nun war es an Volodi zu ziehen. Seine Hand zitterte, als er sie durch die Öffnung des Krugs steckte. Er tastete über die vier ver bliebenen Steine. Welcher von ihnen würde ihm den Tod bringen?
Er sah den Priester an, der den
Weitere Kostenlose Bücher