Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)
Krug hielt. Der Kerl verzog keine Miene. Seine Augen waren dunkel und hart. Volodis Hand schloss sich um einen der Steine. Kurz überlegte er, doch einen anderen zu wählen. Sein Griff lockerte sich. Nein! Die erste Wahl war meist die beste. Entschlossen zog er die Hand aus dem Krug und streckte dem Hohepriester die geballte Faust entgegen.
Ganz langsam öffnete Volodi die Hand. Er starrte auf den Stein, der dort lag, und sein Herz setzte aus zu schlagen.
D as geschenkte Leben
Der Stein war weiß! Er war gerettet … für dieses Mal. Er würde Quetzalli noch ein paar Nächte lang im Arm halten.
Der Mann neben ihm stieß einen halb erstickten Laut aus. Auf seiner offenen Hand lag der goldene Stein. Der Priester mit dem Purpurschlangenkrug trat einen Schritt zurück und winkte zwei der Räucherpfannenträger herbei.
»Ich bin noch nicht so weit«, stammelte der Auserwählte dieses Tages. »Bitte … ich …«
Volodi erinnerte sich. Der Mann neben ihm war mit ihm zusammen hierhergekommen. Er war der Erste gewesen, der durch das Weiße Tor gegangen war. Ein Jaguarmann eilte herbei, packte den Unglücklichen und hielt dessen Kopf mit eisernem Griff über eine der Räucherpfannen gebeugt. Bald erlahmte der Widerstand des Auserwählten. Sein Jammern verstummte. Sein Blick war leer geworden, und er ließ sich von den Priestern zum Schlund der steinernen Schlange führen.
Die ganze Zeit über schwiegen die Zapote. Daheim in Drusna und auch Aram wurde jedes Ritual von schön gesetzten Worten begleitet – feierlich, aufpeitschend oder einschüchternd, je nach Anlass. Dass die Zapote nicht sprachen, erschien ihm bizarr und unmenschlich. Hatten die Todgeweihten nicht verdient, dass man ihnen verkündete, von den Göttern auserwählt zu sein? Wenigstens diesen kleinen Trost, bevor es zum blutigen Opferaltar ging. Das Schweigen der Priester machte das Ritual noch unheimlicher.
Volodi hörte, wie Eirik neben ihm schwer ausatmete. »Es ist, als sei einem das Leben geschenkt worden, nicht wahr?«
Volodi schämte sich für die Erleichterung, die auch er empfand. So knapp war es gewesen. Seine Finger hatten den Stein gestreift, der den Tod brachte.
»Komm, geh zu deinem Mädchen und vögel ihr das Hirn aus dem Schädel. Heute sind wir unsterblich!«, sagte Eirik und lachte. »Genieß dieses Gefühl. Es wird nicht lange halten.«
Volodi sah den Priestern nach, die durch das Maul der Schlange verschwanden.
»Na los! Genieß das Leben. Es ist zu kurz, um über das Unabwendbare zu brüten.« Eirik zog ihn mit sich den Hügel hinauf, weg von der Opferstätte.
Volodi leistete keinen Widerstand mehr. Er wollte dieses Schlan genmaul nicht mehr sehen. Wollte sich nicht länger fragen, was dort unten geschehen würde. Er würde heute keine Antworten erhalten. Er hatte Glück gehabt.
Sobald sie den kleinen Teich erreichten, der auf dem Weg zu ihren Unterkünften lag, ließ Eirik sich mitsamt seinen Festtagsgewändern hineinplumpsen. »Ich werde mich besaufen«, verkündete er ausgelassen, »und dabei zum Regenbogen aufschauen. Ich habe mich noch nie unter einem Regenbogen betrunken. Komm ins Wasser. Es ist herrlich. Es geht nichts über warmes Wasser!«
Volodi dachte an Quetzalli, und plötzlich musste er lachen. Er hatte es geschafft, hatte dem Tod seinen Arsch ins Gesicht gestreckt. »Ich hab was Besseres vor, als zu baden«, rief er Eirik zu und begann zu laufen. Er rannte, dass ihm das Herz bis zum Halse s chlug. Stürmte an Ichtaca vorbei, der vor dem Eingang ihres Hau ses saß und ein Stück Fleisch weichklopfte. Auf der Treppe stolperte er fast.
An der obersten Stufe stand Quetzalli. Sie sah auf ihn hinab, und auch wenn sie nicht lächeln konnte, vermochte er in ihren Augen zu lesen, wie erleichtert sie war.
Er nahm sie in die Arme. Sie erwiderte die Umarmung. »Wohl Odi«, sagte sie ganz leise, und ihm ging das Herz auf. »Wohl Odi.«
V ersetzt
Kolja blickte zum Himmel hinauf. Die Mittagsstunde war schon fast vorbei, und sie war immer noch nicht da. Er fluchte. Diese verdammte Hure wagte es, ihn zu versetzen. Die Sklaven des Hauses hatten sich schon vor einer Weile zurückgezogen, um seiner Wut zu entgehen. Am liebsten hätte er jemanden zusammengeschlagen. Endlich schwang das rote Tor zu Datames’ Stadtpalast auf, und Eurylochos trat ein. Allein.
»Wo ist sie!«, schrie Kolja ihn unbeherrscht an. »Ich will ihr einen Palast schenken, und sie erscheint nicht.«
Der Steuermann blieb fünf Schritt vor ihm stehen.
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