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Drachenelfen

Drachenelfen

Titel: Drachenelfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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banden und ihren Schlaf ewig währen lassen sollten. Dann entschieden sie, dass Nangog künftig keinem von ihnen mehr gehören solle. (…)«
    Â 
    SCHÖPFUNGSMYTHOS DER KINDER DER DUNKELALBEN, URSPRÜNGLICH NIEDERGESCHRIEBEN AUF EINER DER SIEBEN STELEN IM
HERZEN DER HALLE DER FINSTERNIS, TIEF UNTER DEN BERGEN ISCHEMONS, KOPIERT VON MELIANDER VON ARKADIEN, BLATT VII DER SAMMLUNG NANGOG, VERWAHRT IN DER BIBLIOTHEK VON ISKENDRIA, IM SAAL DES LICHTES VERGRABEN AN EINEM ORT, DER NUR GALAWAYN, DEM HÜTER DER GEHEIMNISSE, BEKANNT IST.
    D ER BLAUE STERN
    Nandalee beobachtete die Atemwolke über ihrem Mund. Bei jedem Ausatmen wurde sie ein wenig kleiner. Zumindest glaubte sie das.
    Sie spürte keinen Schmerz mehr. Nur Kälte. Sie wusste, dass sie aus dem Wasser heraus musste. Sie musste ihre nassen Kleider ausziehen! Aber ihr Wille war gefroren wie das Eis und gehorchte ihr nicht mehr. Es hatte aufgehört zu schneien, doch an der Farbe des Himmels sah sie, dass die Winternacht nur Atem holte. Bald würde erneut Schnee aus dem endlosen Dunkel hinabblasen. Sehr viel Schnee. Wahrscheinlich war sie schon tot, wenn die sanften Flocken ihre Wangen streicheln würden, und mit ein wenig Glück würde der Schnee ihren Leichnam verbergen und die Trolle waren um ihre Beute gebracht. Der Gedanke ließ sie lächeln. Auf gewisse Weise würde sie dann doch noch entkommen. Und sei es nur dem Schicksal, verschlungen zu werden. Wie weit der Bach sie wohl getragen hatte? Irgendwo links von ihr war Licht. Sie sah seinen Widerschein auf dem Schnee, aber sie brachte weder Kraft noch Willen auf, den Kopf zu wenden. Eine einzelne Träne perlte über ihre Wange. Sie war angenehm warm. Im ersten Augenblick zumindest. Schon bevor sie ihren Mundwinkel erreichte, konnte Nandalee sie nicht mehr spüren. Würde sie ins Mondlicht gehen? Hatte sich hier an diesem eisigen Ufer das Schicksal ihrer Seele erfüllt?
    Musik erklang irgendwo weit über ihr. Sie erkannte die Melodie. Jemand sang ohne Worte. Es war ein Lied, das ohne Umweg
über den Verstand unmittelbar die Seele berührte. Der Blaue Stern. Nur ein einziges Mal hatte sie ihn über den Himmel ziehen sehen. Den Stern des Sängers. Auch damals hatte das Lied sie zu Tränen gerührt. Jetzt gab es ihr die Kraft, den Kopf zu drehen. Der Stern, so dachte sie, sollte das Letzte sein, was sie in ihrem Leben sah. Er erstrahlte in tiefem, dunklem Blau, schien mit dem Wind zu ziehen, dicht unterhalb der Schneewolken. Sieben Zacken von unterschiedlicher Größe fügten sich voller Harmonie zueinander. Von Anbeginn aller Zeiten zog dieser Stern bereits über den Himmel und selbst die Regenbogenschlangen huldigten ihm. Es hieß, einer der Alben wandere mit dem Stern. Einer der Weltenschöpfer. Er war der Sänger, dessen Lied sie nun hörte. Und alle hundert Jahre, so erzählte man sich, erwählte er einen Elfen, um als Krieger in seiner Leibwache zu dienen. Ny Rin aus der Sippe der Wolfszähne war die Erste, die er erwählte. Sie war tollkühn mit ihrem Eissegler über die Rücken der Regenbogenschlangen zum Blauen Stern den Himmel hinaufgestürmt. Ihr Mut und ihre Geschicklichkeit hatten den Sänger so sehr beeindruckt, dass sie bleiben durfte. Es hieß, wer auf seinem Eissegler bis an das Ende eines Regenbogens gelangen könnte, dort, wo die Schwänze der mächtigen Drachen das Eis berührten, der würde es ihr gleichtun.
    Nandalee lächelte. Sie spürte die Kälte nicht mehr. Sie starb. Es würde nicht mehr lange dauern. Erneut wanderte ihr Blick zu dem Stern hinauf. Als Kind hatte Nandalee die Geschichte von Ny Rin geliebt. Sie war eine Jägerin geworden wie sie. Ihre Sippe nannte man die Windwanderer, weil ihre Jäger frei bis in weiteste Fernen streiften, wie der Wind, der nur den Horizont als Ziel kannte. Unzählige Male war sie auf ihrem Eissegler dem Regenbogen nachgejagt, wenn in der Sommerzeit der warme Südwind aus dem Windland kam. Sie war längst eine erfahrene Jägerin geworden, als sie sich der Wahrheit stellte. Niemand fing einen Regenbogen oder ritt auf dem Rücken der Regenbogenschlangen in den Himmel hinauf. Das einzig Wahre an der Geschichte um Ny Rin war der Blaue Stern. Der Stern des Sängers.

    Nandalee schluckte hart, und der Zauber des Augenblicks verflog. Dort oben war keine Ny Rin. Vielleicht nicht einmal ein Alb. Aber wer, so fragte sie sich, war dann

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