Drachenelfen
dichtauf. Wer nie einen Troll laufen gesehen hatte, hätte es nicht für möglich gehalten, wie flink diese Hünen sein konnten. Sie blieben ihr so dicht auf den Fersen, dass Nandalee manchmal glaubte, ihren Atem im Nacken spüren zu können.
Das Rauschen des Bergbaches wurde lauter. Das letzte Abendlicht brachte Schnee und einen eisigen Westwind. Einen Gruà aus ihrer Heimat, dem kalten Carandamon, aus dem selbst die Sommersonne das Eis nicht zu vertreiben vermochte. Der Wind schnitt durch die Nähte ihrer gefütterten Jacke, des Lederwamses und des Leinenhemdes. Er griff durch ihre Brust nach ihrem Herzen. Nandalee spürte, wie ihre Kraft sie langsam verlieÃ. Als sie den Kamm des Hangs hinter sich gelassen und den Rand einer Hochebene erreicht hatte, blickte sie gehetzt zurück. Zwischen den Bäumen sah sie die Schatten der Trolle. Sie würden keine Duftleser mehr brauchen, um sie zu stellen.
Die Nacht hatte den Talgrund bereits erreicht, wo die Trolle ein groÃes Feuer entzündet hatten. Kleinere Flammen eilten von dort in Richtung des Hangs, den sie erklommen hatte. Hunderte! Nandalee schluckte. Das war nicht einfach nur ein Trupp Jäger, der ihr nachstellte. Den Duftsuchern folgte ein Heer! Alles was Beine hatte, suchte nach ihr.
Aber warum? Dass man sie jagte, verstand sie â sie hatte einen Troll getötet. Aber das rechtfertigte doch nicht gleich ein ganzes Heer! Was hatte sie getan?
Nandalee lief weiter, und Schritt um Schritt riss ihr der tiefe Schnee die Kraft aus den Gliedern. Sie duckte sich unter einer gestürzten
Fichte durch, deren Wipfel an einem groÃen Felsklotz lehnte. Tote Ãste streiften ihr Gesicht. Ihre Verfolger waren zu groÃ, um sich hier durchzwängen zu können. Ihr Vorsprung würde um einige Herzschläge wachsen.
Ohne sich erneut umzublicken, lief sie weiter. Schatten eilten ihr voraus über die Hochebene, um die letzten Flecken des Abendrots vom Schnee zu tilgen.
Endlich erreichte sie einen Bach, der eilig den Abhang hinabgurgelte, den sie gerade erst erklommen hatte. Nandalee lächelte grimmig â sie würde die Trolle überraschen!
Das Geräusch splitternder Ãste sprang ihr in den Nacken. Kehliges Fauchen erklang. Die Trolle hieben auf die gestürzte Fichte ein. Ein faustgroÃes Geschoss lieà den Schnee zu ihrer Linken aufspritzen und verfehlte sie um mehr als drei Schritt. Noch.
Nandalee schlug einen Haken und lief auf eine Felsgruppe am Ufer zu. Der nächste Stein stanzte dicht bei ihren FüÃen ein Loch in den Schnee. Mehr Haken!, beschwor sie sich selbst. Nicht mehr geradeaus laufen! Weitere Steine prasselten nieder und keiner verfehlte sie um mehr als einen Schritt. Sie waren gute Steinewerfer. Jetzt nur kein falscher Tritt! Ein verstauchter Knöchel und alles wäre vorbei. Egal, ermahnte sie sich. Weiter!
Ein Stein streifte sie und ihr linker Arm wurde nach vorn gerissen. Sie strauchelte, kämpfte sich wieder hoch und biss die Zähne zusammen. Lauf! Der Schmerz drang mit Verzögerung in ihr Bewusstsein. Dumpf. Der Stein hatte sie nur gestreift! Nur gestreift, dachte sie und versuchte den Schmerz niederzukämpfen. Schneller jetzt, schneller!
Hinter ihr erklang triumphierendes Gebrüll. Wegen des Treffers? Noch war sie nicht besiegt! Sie würde es ihnen zeigen! Niemand würde sie zu packen bekommen und ihr Herz fressen. Niemand! Dieser Gedanke verlieh ihr neue Kraft, und sie erreichte die Felsen. Der Boden gab unter ihr nach. Nandalee riss beide Arme hoch, Geröll bewegte sich unter dem Schnee. Nicht stürzen! Nur ein paar Schritt noch!
Die Felsen im Bachbett waren von Schneekappen gekrönt und Plateaus aus Eis säumten den steilen Bachlauf. Bei Tauwetter war er an den meisten Stellen über vier Schritt breit, aber jetzt zwängte sein frostiges Korsett ihn auf wenig mehr als die Hälfte. Gleich einer von Felsen durchbrochenen Treppe führten übereinanderliegende Eisstufen entlang der Ufer den Hang hinab. Kristallklare Eiszapfenbärte säumten ihre Ränder, das Wasser atmete Kälte. Alles in Nandalee sträubte sich dagegen, sich dem Bach anzuvertrauen.
Am anderen Ufer erschienen Trolle, kaum mehr als drei Armlängen entfernt. Ihr blieb nur die zerbrechliche Eistreppe, sonst war ihre Flucht zu Ende.
Die Trolle am gegenüberliegenden Ufer trugen keine Felsbrocken oder andere Wurfgeschosse, aber zwei von ihnen hielten wuchtige, im Feuer
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