Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachenelfen

Drachenelfen

Titel: Drachenelfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
Vom Netzwerk:
in die nächste Kammer. Jetzt war der Gesang um ein Weniges deutlicher zu hören. Die Stimme klang traurig. Bidayn schlich weiter. Sie konzentrierte sich ganz darauf, sich lautlos zu bewegen. Wer immer hierhergekommen war, hatte diesen Ort gewählt, um nicht gestört zu werden. Ihre innere Stimme riet ihr, sich in ihr Zimmer zurückzuziehen.
    Als sie die Kammer erreichte, in der Schriften über die Sagen und Mythen der Zwergenvölker verwahrt wurde, vermochte Bidayn einzelne Worte des Liedes zu verstehen. Es war ihr fremd, ebenso wie die Melodie.
    Noch nie zuvor war sie so weit in die Bibliothek vorgedrungen. Wie konnte man so viele Bücher sammeln und die Bibliothek
dann nicht nutzen? Je mehr sie über die Weiße Halle nachdachte, desto seltsamer erschien ihr alles hier.
    Die Türen der einzelnen Bibliothekszimmer lagen versetzt zueinander, sodass man nie weiter als in den jeweils angrenzenden Raum sehen konnte. Über der Tür zum nächsten Bibliothekszimmer hing ein Schild, auf dem Form und Wille stand. Was für Bücher dort wohl verwahrt wurden? Das Licht in dem Zimmer veränderte sich. Vielfarbiges Leuchten flackerte über Buchrücken und den Fußboden. Einen Moment lang nur, dann war das Zimmer wieder von dem warmen Bernsteinlicht durchdrungen. Das Leuchten war aus dem angrenzenden Raum gekommen. Bidayn spürte, wie sich das magische Netz um sie veränderte und öffnete ihr Verborgenes Auge. Die Kraftlinien zogen sich zusammen wie ein Fischernetz, das eingezogen wurde, und die Bewegung lief in Richtung jenes nächsten Zimmers, das Bidayn nicht einsehen konnte. Der Gesang war zu einem leisen, undeutlichen Murmeln abgeebbt.
    Bidayn blickte zurück. Hier war niemand, der ihr helfen würde. Aber dann schalt sie sich eine Närrin. Wozu sollte sie Hilfe benötigen? Sie war mitten in der Bibliothek ihrer Schule – welche Gefahr sollte hier schon lauern! Alles an der Weißen Halle war ein wenig sonderbar. Wenn hier in der Einsamkeit abgelegten Wissens seltsame Dinge geschahen, dann passte das nur ins Gesamtbild.
    Entschlossen trat sie in das nächste Zimmer. Noch bevor sie drei Schritte getan hatte, wurde der Gesang wieder lauter. Und jetzt verstand sie jedes Wort:
    Schattenweber,
Träumegeber,
wandern durch die Nacht.
Schleichen, sacht, sacht, sacht.

    Â 
    Sie sind Freunde, wohlvertraut,
haben in dein Herz geschaut,
führen dich durch Schlafes Pforte,
fern, an wunderbare Orte.
    Das Lied brach ab. »Willkommen, Bidayn«, sagte eine Stimme, die der jungen Elfe nur zu vertraut war. »Ich habe dich erwartet.«
    D AS GLASFENSTER
    Lyvianne hatte Bidayn im spiegelnden Glas gesehen. Sie hatte gespürt, dass sich jemand näherte, aber mit ihrer Schülerin hatte sie nicht gerechnet. Nicht zu dieser Stunde. Nicht so tief in der Bibliothek. Dass sie sie erwartet hatte, war eine glatte Lüge, aber sie wusste, dass die Kleine sich dann besser fühlen würde, behüteter. Dass Bidayn die Einsamkeit nicht ertragen konnte, war offensichtlich.
    Lyvianne war angenehm überrascht, Bidayn hier zu sehen. Das Mädchen war mutiger, als sie erwartet hatte — ein kleiner Trost, denn Lyvianne war erbost darüber gewesen, dass man ihr ausgerechnet die verzärtelte Bidayn überlassen hatte und nicht Nandalee mit all ihrer ungebändigten Kraft. Aber vielleicht hatte sie Bidayn ja unterschätzt. Man würde sehen.
    Â»Komm zu mir, meine Liebe, und ich zeige dir eines der Geheimnisse der Weißen Halle.«
    Die junge Elfe wirkte misstrauisch.
    Â»Na, komm schon. Oder hast du Angst, dass ich dich beiße?«
    Bidayn lächelte scheu. »Ich wollte nicht stören. Ich … Du singst sehr schön.«
    Die Worte ihrer Schülerin berührten sie. Lyvianne hatte ein wenig Wein getrunken und war in sentimentaler Stimmung. Vielleicht war es auch ein wenig zu viel Wein gewesen.
    Â»Ich komme manchmal hierher, wenn ich an Flamingos denke.«
    Bidayn starrte sie an, wagte aber nichts zu sagen.
    Â»Kennst du Flamingos?«
    Â»Nein.« Die Schülerin sah sich um und ihr Blick fiel auf das große, runde Buntglasfenster, das fast eine ganze Wand einnahm. Mattes Licht brach durch die tausend Glasfacetten. Ein jedes Glasstück hatte eine andere Farbe. Sie waren in dünne Goldrahmen eingefasst, in die Drachenrunen geschnitten waren.
    Â»Das Fenster ist ein Geschenk unserer Gönner. Man muss ein Wort der Macht kennen. Wenn

Weitere Kostenlose Bücher