Drachenelfen
gegangen, wie er gekommen war.
V ON MÃRDERN, TROLLEN UND ABGELEGTEM WISSEN
Bidayn sah sich um und schüttelte den Kopf. Nandalee war verrückt geworden. Ganz ohne Zweifel verrückt! In ihrer Kammer sah es aus wie in einer Höhle. Sie hatte irgendein Schutzzeichen in die Türschwelle geritzt und damit erreicht, dass sich kein Kobold mehr hineinwagte, um sauber zu machen. Der ganze Boden lag voller Holzspäne. Sie selbst saà mit einem Abziehmesser auf dem einzigen Stuhl und bearbeitete, leise vor sich hin summend, den riesigen Ast, den sie vor zwei Wochen aus dem Wald geholt hatte. Um den Wahnsinn noch weiter abzurunden, hockte auf dem Tisch der hässlichste kleine Vogel, den Bidayn je gesehen hatte. Ein kleines Monster mit riesigen dunklen Augen und runzliger rosa Haut, auf der einzelne graubraune Flaumfedern wucherten. Sobald man ihm nahe kam, riss er den Schnabel auf und stieà wimmernde Laute aus. Die Tischplatte verunzierten eingetrocknete Vogelexkremente. Der Gipfel der Geschmacklosigkeit aber war ein Kristallglas, das ebenfalls auf dem Tisch stand. Der fein geschnittene Kelch war dazu geschaffen, köstlichste Weine aufzunehmen. Jetzt war er mit sich windenden Würmern gefüllt!
»So etwa stelle ich mir eine Trollhöhle vor. Vielleicht ist es da aber auch wohnlicher.«
Nandalee ignorierte sie, summte weiter vor sich hin und glättete vorsichtig den Holzschaft. Unter dem hellen, fast weiÃen Splintholz kam das rotbraune Kernholz zum Vorschein, ganz so, als sei das Holz aus zwei Bäumen in einem Stamm vereinigt.
Bidayn schnaubte. »Du bist wohl sehr mit dir zufrieden.«
Jetzt endlich sah Nandalee zu ihr auf. »Ja, das bin ich. Habe ich dir schon erzählt, dass ich meinen ersten Bannzauber gewoben habe?« Sie nickte in Richtung der Tür. »Dieses Zimmer ist koboldsicher. Ich hätte nicht gedacht, dass ich so etwas kann. Es war gar nicht so schwer.«
»Mir hat ein Kobold erzählt, dass du ihnen gedroht hast, sie zu häuten und an deinen Vogel zu verfüttern, wenn sie das Zimmer
betreten. Vielleicht hat auch das ein wenig zu deinem Erfolg beigetragen. Ebenso wie die eindrucksvolle Sammlung an Messern, hier auf dem Tisch und überall auf dem Boden.«
»Das sind nur Schnitzwerkzeuge.«
Bidayn erhob sich. Der Vogel auf dem Tisch reagierte auf die Bewegung, riss seinen Schnabel weit auf und begann jämmerlich zu piepen. »Hast du mir überhaupt zugehört?«
»Du meinst die Sache mit Ailyn?« Nandalee hatte sich wieder ganz in ihre Arbeit vertieft.
»Die Sache ⦠Es ist etwas mehr als einfach eine ⦠Sache. Diese Verrückte wird mich umbringen! Jedes Mal, wenn Lyvianne nicht in der Nähe ist, prügelt sie mich grün und blau. Ich kann mich kaum noch bewegen. Sie hat was gegen mich. Sie ist wahnsinnig. Man muss etwas unternehmen.«
»Ich finde sie ganz in Ordnung.«
»Sie hat dir die Nase gebrochen, Nandalee! Das ist nicht in Ordnung!«
Nandalee zuckte mit den Schultern. »Meiner Nase geht es wieder ganz gut. Ich finde es zwar Zeitverschwendung, eine Bogenschützin zur Schwertkämpferin ausbilden zu wollen, aber meinetwegen. Ich werde meine freien Stunden nutzen, um mich der Kunst des BogenschieÃens zu widmen.«
Bidayn blickte auf den Holzstab und endlich begriff sie. Wie hatte sie nur so blind sein können! »Damit wirst du nicht durchkommen. Das ist gegen den Sinn dieser Regel. Deine Kunst soll sich ausschlieÃlich selbst genügen und nicht dem Kampf nutzen! Du sollst die Schrecken der Schlachtfelder und dessen, was immer sonst die Drachen verlangen mögen, vergessen, wenn du dich deiner Kunst hingibst. Wenn du BogenschieÃen übst, wirst du dabei diese dunklen Stunden wieder heraufbeschwören. Sie werden das niemals dulden!«
Nandalee lächelte. »Sie werden es dulden müssen. Ich werde sie zwingen, sich der Wirklichkeit zu stellen. Sie bilden uns hier zu Mördern aus. Ich bin eine Jägerin. Vielleicht werde ich auch
eine Kriegerin werden. Der Tod begleitet mich, seit meine Arme stark genug sind, um einen Bogen zu spannen. Jäger töten, um zu leben. Krieger letzten Endes auch. Ich habe mich schon lange damit abgefunden, Blut an den Händen zu haben. WeiÃt du, als ich klein war, hatte ich einen Schneehasen zum Spielgefährten. Er hat mich immer begleitet. Dann kam ein schlimmer Winter â er begann zu früh und war voller Stürme. Die
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