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Drachenelfen

Drachenelfen

Titel: Drachenelfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Gabelung für den Weg nach rechts. Hier war sie noch nie gewesen, da war sie ganz sicher. Sie rieb die Fackel über die Wand und markierte den Gang. Aufmerksam betrachtete sie die Bilder. Ein fortlaufender Fries, der einen Garten zeigte, schmückte diesen Gang und kein Wasser bedeckte den Boden. Endlich würde sie ihrem Gefängnis entkommen. Sie sehnte sich danach, den Himmel zu sehen und Wind auf ihrem Gesicht zu spüren. Selbst wenn es ein bärtiges Zwergengesicht war.
    Nandalee hatte sich an den fremden Körper gewöhnt. Sie vermochte nicht zu sagen, wie lange sie hier unten schon gefangen war. Viele Tage … Vielleicht auch schon einige Wochen. Ohne je nach draußen blicken zu können, hatte sie ihr Zeitgefühl verloren. Wenn sie in der großen Halle war, brachten die Gazala ihr Essen, doch sie sprachen so gut wie nie mit ihr. Und wenn sie es taten, waren ihre Antworten entweder vieldeutig oder ergaben für Nandalee keinen Sinn.
    Die Elfe hielt inne. Sie hatte ein Geräusch gehört. Einen Vogelschrei! Der Ausgang aus diesem verfluchten Labyrinth musste nahe sein! Diesmal hatte sie es endlich geschafft! Sie begann zu laufen, hatte kaum noch einen Blick für die Blütenpracht, die sich auf den Wänden entfaltete. Da war es wieder! Jetzt war sie sich sicher, dass es ein Vogelschrei war. Die Luft wurde auch besser. Sie war schwül und warm, aber es fehlte der Geruch brackigen Wassers.
    Plötzlich zerflossen die Bilder an den Wänden, als seien sie auf spiegelglattes Wasser gemalt, in das man einen Stein geworfen
hatte. Sie wellten sich, verformten sich. Der Ausblick änderte sich – und Nandalee stand wieder am Eingang der weiten, überfluteten Halle, in deren Mitte sich der flache Hügel erhob, den der Dunkle seinen Thron nannte.
    Ãœberwältigt von ihrer Enttäuschung entglitt ihr die Fackel und erlosch zischend im Wasser, das ihr in ihrer Zwergengestalt bis über die Knie reichte.
    Zutiefst niedergeschlagen schleppte Nandalee sich zu der flachen Insel. Die Gazala hatten ihr einige Decken dorthin gelegt, damit sie nicht auf nacktem Fels schlafen musste. Die Seherinnen selbst aber waren verschwunden. Manchmal hatte sie das Gefühl, dass die Gazala durch Wände einfach hindurchschreiten konnten. Die Einsamkeit zehrte an Nandalee. Früher, als sie als Jägerin über die weiten Ebenen Carandamons streifte, war sie oft wochenlang mit sich allein gewesen. Damals hatte sie sich nie einsam gefühlt. Hier war es anders. Hier war sie eingesperrt. Einer Aufgabe überlassen, die sie nicht zu lösen vermochte.
    Sie starrte auf ihre Hände. Die verhassten knotigen Zwergenhände. Hände mit geschwollenen Gelenken und zu kurzen, zu dicken Fingern. Sie schloss die Augen. Tränen rannen ihr über die Wangen.
    Nandalee zwang sich zur Ruhe. Sie wartete, bis ihr Atem wieder regelmäßig ging, und dachte an den weiten Himmel ihrer Heimat. An das unendliche Blau. Daran, wie sie als Kind auf dem Rücken im Schnee gelegen hatte und sich nicht hatte sattsehen wollen an der unendlichen Weite des Himmels. Diesen Himmel trage ich noch immer in mir, dachte sie. Und niemand kann ihn mir nehmen!
    Sie öffnete ihr Verborgenes Auge. Der Anblick der Halle war verwirrend, das Gewebe der magischen Linien vielfältig. Es war wie ein kostbarer Teppich, in den kunstfertige Bilder geknüpft waren. Die natürlichen Muster waren aufgelöst und einem fremden Willen untergeordnet worden. Langsam hob Nandalee ihre Hände vor ihr Gesicht. Hier war es ganz ähnlich. Ein fremdes
Muster war in die Magie gewoben, die durch sie floss. Unnatürlich! Wenn sie die Knoten lösen könnte, würde alles vielleicht seine ursprüngliche Form annehmen. Aber sie musste sie entwirren, und durfte dabei nicht mit Gewalt vorgehen. Nichts durchtrennen, denn dann würde sie zugleich ihren Lebensnerv durchtrennen.
    Sie hob die Hände so dicht vor ihre Augen, dass die Handteller fast ihre Nasenspitze berührten. Wärme strahlte von ihren Händen ab. Sie war sich sicher, dass ein einziges Wort des Dunklen genügen würde, um ihre Rückverwandlung einzuleiten. Ein Wort!
    Sie musste sich frei machen von den Fesseln des Körpers und den Fesseln der Angst, musste eins werden mit dem magischen Gewebe. Sie versuchte, dem Lauf der Fäden zu folgen. Den endlosen Kehren. Frei sein.
    Einer der Lichtfäden war anders. Blasser und dünner. Er wirkte, als

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