Drachenelfen
vorbereitet.
Talawain dachte an das zierliche Mädchen, das er am Morgen kurz gesehen hatte. Die Braut des Unsterblichen. Sie war gerade einmal fünfzehn, schätzte er. Vielleicht auch jünger. Ein hübsches Mädchen nach den MaÃstäben der Menschen. Mit groÃen, dunklen Augen, in denen sich am Morgen Stolz und eine Spur von Furcht gespiegelt hatten. Er hatte sie gemocht und sich diskret erkundigt, was sie erwartete. Was er gehört hatte, hatte ihn nur mit noch mehr Abscheu erfüllt.
Die Kleine musste jetzt irgendwo in einem Tunnel unter der Stadt sein. Eskortiert von einigen Eunuchen. Der Geheimgang führte zu einer verborgenen Treppe im Inneren der Zikkurat. Diese Treppe war allein den Bräuten des Unsterblichen vorbehalten. Kein anderer Mensch durfte sie betreten. Am Fuà der Treppe würden die Eunuchen das Mädchen entkleiden. Dann müsste sie, mit einer Ãllampe in der Hand, die dreihundert Stufen zum Tempel auf der Spitze der Zikkurat erklimmen. Angeblich gab es an den Wänden entlang der Treppe Fresken, die sie über die Freuden der Himmlischen Hochzeit belehrten. Das Mädchen stand für die Erde, und deshalb hatte man sie durch den Tunnel gehen lassen. Sie würde aus der Erde geboren werden und, vor Blicken verborgen, direkt in den Himmel hinaufsteigen. Muwatta aber würde von IÅ¡ta selbst zum Tempel getragen werden. Er verkörperte den Himmel und würde vom Himmel herabsteigen. Die Vereinigung von Erde und Himmel, den erneuerten Bund zwischen Menschen und Göttern, all das versinnbildlichte diese Hochzeit. Das Mädchen würde man nach dieser Nacht Priesterinnen anvertrauen. Von Männern weit entfernt, würde sie in einem Tempel tief in den Bergen verborgen warten und beten. Wenn sie ein Kind empfangen hatte, stand dem Land ein gutes Jahr bevor. Wuchs aber keine Frucht in ihrem Leib heran, so war dies ein böses Omen für die kommende Ernte. Dann würden der Unsterbliche und die Priesterschaft sie im nächsten Frühjahr auf einem Tempelacker
vor den Mauern Isatamis opfern und ihr Blut in die Ackerfurchen rinnen lassen, um eine Dürre vom Land abzuwenden.
Heller Zimbelklang und das dumpfe Dröhnen zahlloser Handtrommeln ertönten aus den StraÃen der Stadt. Zehntausende feierten. Den ganzen Tag über waren Stiere geopfert worden, und ihr Fleisch hatte man unter den Armen verteilt. Wein floss in Strömen, und Datames war sich sicher, dass die Gläubigen hundertfach in Hauseingängen und dunklen Gassen ihre eigene Variante der himmlischen Hochzeit zelebrierten. Längst waren die Krieger von den StraÃen abgezogen und sicherlich feierten etliche mit Bauern und anderem Pöbel. Es gab keine Ordnung mehr dort unten. Nur noch Ekstase. Es war schlimmer als ein Koboldfest!
Talawain blickte über die weite Terrasse. Hier ging es kaum weniger zügellos zu. Die Gäste hockten oder lagen in kleinen Gruppen um niedrige Tische; groÃe Kissen und dicke Teppiche sorgten für Bequemlichkeit. Niedrige Wolken zogen über den Himmel und in der Ferne konnte man manchmal Wetterleuchten sehen. Es war drückend heiÃ. Eine Nacht für Ausschweifungen. Die meisten Luwier und auch etliche Gefolgsleute Aarons waren aufreizend leicht bekleidet. Manche der Damen trugen mehr Schmuck als Stoff!
Talawain war nicht prüde, doch zog er es vor, seine Affären nicht unter den Augen Dutzender Gaffer auszuleben. Die Mentalität der Menschen würde er niemals ganz begreifen. Er fand es interessant, sie zu beobachten. Sie überraschten ihn immer wieder. Seine Aufgabe erfüllte ihn und ihm war bewusst, dass er der einflussreichste Elf der Blauen Halle in Aram war, vielleicht sogar auf ganz Daia. Nur selten gelang es einem von ihnen, bis zu den höchsten Ãmtern aufzusteigen und einem der Unsterblichen nahe zu sein. Sogar seinen Pflichten als Hofmeister ging er gerne nach. Und doch wuchs in den letzten Wochen seine Sehnsucht nach Albenmark. Er vermisste es, unter seinesgleichen zu sein, und sehnte sich danach, einmal nicht mehr in jedem Augenblick auf der Hut vor Entdeckung sein zu müssen.
Unter den Würdenträgern Muwattas waren viele Krieger. Erfolgreiche Feldherren belohnte er gerne mit Statthalterposten und Hofämtern â eine Praxis, die Korruption Tür und Tor öffnete. Statt fähige Beamte zu befördern, setzte er diesen erfahrene Totschläger vor die Nase. Stolz dachte Talawain, dass die
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