DRACHENERDE - Die Trilogie
ihren.
Es war der Bann des Weisen Liisho, der ihn daran hinderte, sich mit Bratlor über Drachenia zu unterhalten. So manches Mal hatte Rajin in jenen Momenten diesen Bann verflucht, doch schien es keinerlei Möglichkeit zu geben, diesen Einfluss zurückzudrängen.
„Wenn du Bedenken hast, einer Mannschaft von Seemammutjägern zu helfen, unter denen sich ein Unglücksbringer befindet, so entbinde ich dich und deine Mannschaft gern von der Hilfspflicht“, sagte nun Wulfgar Wulfgarssohn zum Wilden Aeriggr. „Allerdings entgeht dir dann auch dein Anteil, und du solltest dir überlegen, ob du dir deine Furcht vor einem dunkelhaarigen Jüngling auch leisten kannst.“
Dröhnendes Gelächter brach daraufhin aus, und selbst Aeriggrs Männer konnten sich nur schwer beherrschen.
Von einer Entbindung von der Hilfspflicht wollte der Wilde Aeriggr nichts wissen, was niemanden wunderte, denn sein Jagdglück war in den letzten Monaten nur mäßig gewesen, weshalb er auf die Anteile aus der Kadaverbergung angewiesen war, um seine Mannschaft weiter unterhalten zu können. Trotzdem knurrte er: „Ich hoffe, du bereust es nicht eines Tages, dass du meine Warnungen in den Wind geschlagen hast, Wulfgar. Mag sein, dass ich tatsächlich ein Narr bin und nicht genug von diesen Dingen verstehe, aber wenn nach so langer Zeit zwei Feuerspeier am Himmel auftauchen und so tief über Winterborg fliegen, kann das kein Zufall sein!“
So dumm und einfältig die Vorurteile auch sein mochten, mit denen Rajin immer wieder konfrontiert wurde – tief in seinem Inneren ahnte er, dass der Wilde Aeriggr mit seiner Vermutung recht hatte, was das Auftauchen der beiden Drachen betraf. Es hatte auf irgendeine Weise mit dem Geheimnis zu tun, das in der Seele des Achtzehnjährigen durch einen Bann eingeschlossen war.
Hast du darauf nicht auch eine Antwort?, fragte er in Gedanken, an den Weisen Liisho gerichtet. Warum sagst du dazu nichts, da du mir doch sonst ungefragt alles Mögliche erklärst?
Aber der ständige Gast in seiner Seele, der ihn von frühester Kindheit an begleitete, blieb diesmal stumm.
Du hörst mich – ich weiß es! Warum sagst du jetzt nichts und flüsterst mir nicht wenigstens einen Teil des Geheimnisses ein, das in mir verborgen ist? Habe ich denn kein Recht darauf, zumindest ein wenig der Wahrheit zu erfahren?
Doch in Wirklichkeit hatte Rajin die Hoffnung, dass er doch noch eine Antwort erhielt, schon aufgegeben, und so wandte er sich wieder der Arbeit zu, der Bergung des Seemammuts. Leinen mussten festgezurrt werden, weitere Hilfsschiffe legten an und warfen ihre Taue herüber, und die Männer der „Stoßzahnsammler“ setzten weitere Zugharpunen, an denen die Taue befestigt wurden.
Da bekam Rajin doch noch eine Antwort!
Die Stimme Liishos flüsterte wie ein leichter Landwind in den kurzen Sommern auf Winterland:
„Mag für viele die größte Gefahr in der Unwissenheit liegen – für dich liegt sie im Wissen!“
3. Kapitel:
Rückkehr nach Winterborg
Ganz Winterborg war auf den Kaimauern und den weit in die Bucht ragenden Landungsstegen versammelt, als die Flotte der Seemammutjäger zurückkehrte. Rajin stand auf dem Rücken des Kadavers, gleich hinter dem Kopf, sodass jeder sehen konnte, dass er es gewesen war, der dem riesigen Monstrum den Todesstoß versetzt hatte. Diese Ehre stand ihm zu, und sowohl Rajin selbst als auch Wulfgar Wulfgarssohn hofften, dass Bjonn Dunkelhaar dadurch endlich als vollwertiges Mitglied der Gemeinschaft akzeptiert wurde. Wie sonst hätte er noch beweisen können, dass er ein Seemammutjäger unter Seemammutjägern war? Ein junger Mann, der sich – abgesehen von seinem Äußeren – in nichts von den anderen Männern auf Winterland unterschied?
Die Schiffe zogen den riesigen Kadaver in die Bucht von Winterborg, vorbei am Hafen, wo das jubelnde Volk stand und jenen begeistert zuwinkte, die mit diesem Fang dafür gesorgt hatten, dass es den Seemannen auf dieser unwirtlichen Insel im äußersten Nordwesten des Seereichs weiterhin gut gehen würde.
Abseits des Hafens und der eigentlichen Siedlung gab es flache, wenn auch steinige Strände, an denen Hunderte von Seemammutskeletten lagen. Allerdings waren die meisten von ihnen nicht vollständig, und von einigen war nichts weiter geblieben als der Schädel, vor dem die Seemannen einen besonderen Respekt hatten. Denn ihrem Glauben zufolge wohnte die Seelenkraft eines Seemammuts dem Knochenschädel noch lange nach seinem Tod
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