DRACHENERDE - Die Trilogie
mit dem Traumhenker und Todverkünder handelseinig geworden war.
Der Preis, den der Traumhenker verlangte, war immer gleich, wusste Abrynos. Die verdammte Seele, der er zusätzliche Leben schenkt, musste ihm irgendwann auf den Augenmond folgen. Wie kam es aber dann, dass noch so viel von Wulfgarskint an diesem Ort war?
Die Antwort wurde Abrynos sehr bald offenbar. Da war noch eine weitere Kraft, die das bewirkt. Eine Kraft, deren Anziehungskraft mindestens genauso stark war wie diejenige, die der Herr des Augenmondes aufzuwenden vermochte, um Wulfgarskints Seele in seine Heimat, auf den Augenmond, zu entführen.
Der Widerstreit dieser Kräfte musste es wohl gewesen sein, der Wulfgarskints monströs gewordene Seele schließlich zerrissen hatte. Aber es war noch genug von ihr zurückgeblieben, um damit und mit den anderen Seelenresten etwas anzufangen.
Abrynos brauchte einen Schlüssel, um das Tor zu öffnen, wie es in den alten Schriften stand. Einen Schlüssel des Geistes, und ihm schien, dass ihm das nur an diesem Ort gelingen konnte.
Der Magier sog die kühle, feuchte Luft tief in seine Lungen und vereinnahmte gleichzeitig noch etwas mehr von dieser düsteren Kraft, die in diesen Mauern allgegenwärtig war. Er fühlte sich jünger, stärker und geistig gefestigter als je zuvor in seinem Magierleben. Seine Präsenz wuchs. Seine Augen begannen grün zu leuchten.
Lass etwas übrig … Du brauchst es noch, wenn du deinen Plan in die Tat umsetzen willst …
Kaiser Katagi befand sich in der großem Wandelhalle seines Sommerpalastes in Vayakor.
Er weilte mit Bedacht in der Hafenstadt im drachenischen Neuland. Vayakor lag auf einer Halbinsel, die weit in die Mittlere See hineinragte. Von dort aus verkehrten Lastdrachen fast täglich nach Magus, denn von Vayakor aus war die Entfernung zum Land der Magier kürzer als von jedem anderen Ort des Drachenlandes.
Nachdem ihm der Magier Abrynos zum ersten Mal begegnet war und sie ihren besonderen Pakt geschlossen hatten, der einerseits Prinz Rajin vernichten und andererseits Abrynos die Position des Großmeisters von Magus bescheren sollte, zog Katagi bei Vayakor seine Kriegsdrachen-Armada zusammen. Alle Einheiten, die an den verschiedenen Fronten des Reiches erübrigt werden konnten, hatte er herbeordert.
Seine Befehlshaber wagten es nicht, ihre Kritik daran offen zu äußern. Aber die gut informierte Geheimpolizei des Usurpators wusste sehr wohl, wie die Stimmung unter den Kommandanten war.
Katagi hatte sogar ein gewisses Maß an Verständnis dafür. Sie konnten ja schließlich nicht wissen, welchen Plan ihr Herrscher damit verfolgte. Mit der Drachen-Armada wollte er innerhalb weniger Tage die Mittlere See überqueren und Magussa erreichen, die Hauptstadt der Magier, die zur Falle für Prinz Rajin werden sollte.
Währenddessen erhielt Katagi täglich gleich mehrere Gesuche des Fürsten von Sajar, der die in Richtung Kajina vordringenden Kriegsdrachen befehligte. Er bat dringend um Verstärkung. Angeblich hatte der Feind am Ma-Ka-Fluss eine Widerstandslinie errichtet, die nicht so leicht zu überwinden war. Davon abgesehen mussten die unwegsamen Bergregionen des Luftreichs noch erobert werden, der Kern des Landes, wenn man so wollte, und dazu brauchte man jeden Kriegsdrachen.
Weshalb der Kaiser einen beträchtlichen Teil seiner Drachen-Armada nach Vayakor beorderte und die Drachenreiter sich in den dortigen Freudenhäusern vergnügen ließ, während andernorts nicht genug Drachen und Drachenreiter zur Stelle waren, verstand niemand unter den vorrückenden Truppen. Selbst ein Mann wie der Fürst von Sajar, der Katagi so ergeben war wie sonst kaum jemand, konnte die Entscheidung seines Kaisers nicht nachvollziehen. Schließlich wurde Tajima gerade aufgeteilt, und wenn man den Feuerheimern ein zu großes Stück davon überließ, hatte man im nächsten Krieg gegen einen viel mächtigeren Gegner zu kämpfen.
Noch weniger Verständnis fand Katagis Entscheidung bei jenen Befehlshabern, deren Drachenverbände die Grenze zum Seereich überquert hatten und dort in einer viel schwierigeren Lage waren. Zudem fehlte es noch immer an Stockseemammut. Die Mägen der Drachen knurrten und machten sie unwillig und schwer lenkbar. Auch dies war ein Grund, einen Sieg möglichst rasch herbeizuführen, weil er sonst vielleicht nicht mehr fortsetzbar war.
Aber Katagi hatte gute Gründe für seine Entscheidung. Den Schlimmsten seiner Feinde würde er auf diese Weise loswerden.
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