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DRACHENERDE - Die Trilogie

DRACHENERDE - Die Trilogie

Titel: DRACHENERDE - Die Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Prinz Rajin, den unseligen letzten Spross der alten Kaiserfamilie, den er aus widrigen Umständen heraus bisher nicht zu töten vermocht hatte.
    Um ihn zu schlagen, musste er alle anderswo irgendwie entbehrlichen Kräfte konzentrieren, jeden Drachenreiter, jeden Armbrustschützen. Soweit sich das beeinflussen ließ, hatte Katagi dafür gesorgt, dass die Drachen jener Streitmacht, die er in Vayakor sammelte, mit den besten Schützen bemannt waren.
    Katagi fand, wie so oft in letzter Zeit, keinen Schlaf. Selbst die Tinkturen, die er sich zu diesem Zweck von seinen Hofalchimisten hatte brauen lassen, verfehlten ihre Wirkung.
    Manchmal wachte er schweißgebadet auf und glaubte einen Chor gequälter Seelen zu hören. Der Traumdeuter, den er deswegen befragt hatte, war in den Folterkellern unter dem Palast gelandet und hatte hernach die absurdesten Dinge gestanden. Inzwischen war seine Leiche ein paar abgerichteten Flugwölfen zum Fraß vorgeworfen worden, die mit Wonne zerrissen hatten, was nach der Behandlung in den Kellern noch von dem Mann übrig gewesen war.
    Als er daraufhin nach Ersatz geschickt hatte, hatten sich alle professionellen Traumdeuter der Hauptstadt verleugnen lassen. Einige hatten sogar vorsorglich die Stadt verlassen, um nicht in die Verlegenheit zu geraten, dem Herrscher eine unangenehme Wahrheit offenbaren zu müssen.
    Daraufhin war Katagi zu der Überzeugung gelangt, dass Traumdeutung Aberglauben wäre, und er hatte gehörigen Druck auf die Oberen der Kirche von Ezkor ausgeübt, damit sie diese Praktiken, wie sie bisher im ganzen Land Gang und Gäbe waren, als Ketzerei verdammte. Der Abt von Ezkor war diesem Ansinnen nachgekommen, und seitdem war Traumdeutung in Drachenia ein todeswürdiges Verbrechen.
    Aber die Worte jenes Traumdeuters, dessen Überreste er schließlich den Flugwölfen hatte vorwerfen lassen, klangen dem Herrscher des Drachenlandes noch immer in den Ohren.
    „Wir alle sind Sünder, o Kaiser. Und Euch lassen die Gedanken an diejenigen, an denen Ihr gesündigt habt, nicht mehr los. Sucht Vergebung und innere Einkehr, dann werden die Träume Euch nicht mehr heimsuchen.“
    Jener Traumdeuter war von den Kampfmönchen ausgebildet worden, die die Zitadelle von Kenda bewachten. Vielleicht hatte diese Zeit seine Sicht der Dinge geprägt. Und da Katagi ahnte, dass in den Worten des Traumdeuters vielleicht doch ein Kern Wahrheit zu finden war, hatten sie ihn so tief getroffen wie ein Dolchstoß.
    Katagi irrte zwischen den Säulen der Wandelhalle umher. Die Fackeln ließen Schatten an den mit kunstvolle Mosaiken versehenen Säulen tanzen, auf denen Drachenheere vergangener Epochen dargestellt waren, jeweils angeführt von einem Kaiser aus dem Hause Barajans.
    Jedes dieser Motive schien ein bebilderter Hinweis darauf zu sein, dass er den Platz auf dem Thron zu Drakor nicht rechtmäßig eingenommen hatte und dass eigentlich ein anderer an seiner Stelle hätte herrschen müssen.
    „Entfernt sie, diese verfluchten Mosaike!“, schrie er, obwohl niemand in der Nähe war. „Lasst die Säulen abschleifen und verziert sie in des Unsichtbaren Gottes Namen mit meinem Antlitz und meinem Wappen!“ Er zog sein Schwert und schlug in einem Anflug von Raserei auf eine der bebilderten Säulen ein. Die leicht gebogene, nach drachenischer Art gefertigte Klinge prallte an dem Stein ab. Funken sprühten, und nur kleine Stücke des Mosaiks brachen heraus und fielen zu Boden. Der letzte Schlag des Kaisers war so heftig, dass ein geradezu höllischer Schmerz seine Hand und den rechten Arm durchfuhr. Die Klinge wurde ihm durch die Wucht des eigenen Hiebs aus der Hand gerissen und fiel klirrend zu Boden.
    Katagi stöhnte auf. Er hatte offensichtlich weder die Kraft, ein Säulenmosaik zu zerstören, noch genug, um eine drachenische Klinge zum Bersten zu bringen. Wild fluchte er vor sich hin, was schließlich in eine Folge wimmernder Laute überging. Vielleicht lag seine Reizbarkeit daran, dass er schon Tage und Wochen lang nicht richtig hatte schlafen können. Jedenfalls konnte sein wildes, ungehemmtes Wimmern und Schreien niemand hören, denn er hatte sich – wie jede Nacht – ausgebeten, die Wandelhalle des Sommerpalastes ganz für sich allein zu haben.
    Die Wächter hatten Anweisung, nicht zu ihm zu eilen, ganz gleich, was immer sie zu hören glaubten. Katagi wollte nicht, dass jemand Zeuge seiner inneren Schwäche wurde. Es durfte niemand von der Verzweiflung und der Qual erfahren, die ihn mitunter peinigte.

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