DRACHENERDE - Die Trilogie
einfach verschlingen könnte.
Rajin hatte das akzeptiert. Dass der ehemalige Wilddrache im Augenblick nicht einen einzigen Bissen herunterbrachte, hätten ihm die Vogelmenschen wohl kaum geglaubt. Rajin aber wusste es besser. Der Anblick seiner zerstörten Heimat hatte Ghuurrhaan völlig verstört, und es würde noch eine Weile dauern, bis er das verkraftet hatte. In diesem Zustand war er gar nicht in der Lage zu fressen.
Vom Pfad aus sah Rajin seine Gefährten Koraxxon, Erich von Belden und Ganjon. Sie standen im Dorf mit einer Gruppe Vogelkrieger und Seemannen zusammen und unterhielten sich lebhaft. Kallfaer Eisenhammer stand am Rande des Dorfes, wo Orik Wulfgarssohn auf ihn einredete.
Auch Sharash hatte den Schmied aus Winterborg offenbar entdeckt, denn er sagte zu Rajin: „Ich hoffe, dass Kallfaer dein Friedensangebot angenommen hat.“
Rajin hatte Kallfaer vom Schicksal seiner Tochter Nya erzählt, von ihrer Gefangenschaft und dem Zauber, mit dem der im Dienste Katagis stehende Magier Ubranos aus Capana sie belegt hatte, und dass sie zuletzt in einem Glassarg in der Halle der Tausend Winde im Palast von Drakor aufgebahrt gewesen war. Und er hatte Kallfaer auch gesagt, dass er überzeugt war, dass die Seelen von Nya und seinem ungeborenen Sohn Kojan II. noch in einer anderen Ebene des Polyversums existierten.
Kallfaer hatte das alles nur schweigend zur Kenntnis genommen. Sharashs Machtwort zwang ihn zwar, vorerst mit Rajin Frieden zu halten, doch es war nur schwer abzuschätzen, was wirklich in ihm vor sich ging.
Sie hatten gerade die Hälfte des Pfades hinter sich gebracht, da blieb Rajin plötzlich stehen und blickte sich suchend um. Mit seiner inneren Kraft spürte er die Anwesenheit eines fremden Geistes, und irgendwie erinnerte ihn diese Empfindung an die Seele des Netzes, mit dem die Vogelmenschen ihn und seine Begleiter gefangen genommen hatten.
„Dort!“
Die Gedankenstimme der Metallhand meldete sich mit seltener Eindringlichkeit. Wie von selbst hob sich die Hand und deutete mit dem Zeigefinger auf eine bestimmte, etwas höher gelegene Stelle am Hang. Zuerst konnte Rajin dort nichts Ungewöhnliches ausmachen, aber dann war da eine Bewegung, und im nächsten Moment sah er den spinnenhaften Vielbeiner, dessen Haut exakt die Färbung des Hintergrunds angenommen hatte.
Nun aber lief er auf seinen zahlreichen Beinen davon. Das Gesicht drückte Erschrecken aus. Offenbar hatte das Wesen erkannt, dass Rajin es bemerkt hatte.
„Ein Webergeselle“, erklärte Sharash. „So nennen zumindest die Seemannen unter uns diese Wesen.“ Er stieß einen schrillen, durchdringenden Laut aus, woraufhin sich ein Dutzend Vogelkrieger in die Lüfte erhob, um den davoneilenden Vielbeiner zu jagen, der inzwischen beinahe den Gebirgskamm erreicht hatte.
Die Vogelkrieger holten ihn ein. Für ihre hervorragenden Augen war es kein Problem, das Wesen auszumachen. Der Vielbeiner öffnete den Mund und spuckte ein Netz aus, das sich ausbreitete und einen der Vogelkrieger einfing, sich klebrig an ihn schmiegte und ihn zu Boden riss.
Im nächsten Moment durchbohrte ein Pfeil den schädelartigen Leib des Vielbeiners, der daraufhin in sich zusammensackte.
„Unsere Krieger entnehmen dem Webergesellen die beseelten Netzfäden“, sagte Sharash erläuternd zu Rajin. „Diese Viecher sind hinterhältig. Sie schleichen sich an unser Dorf an und töten aus dem Hinterhalt.“
„Nun, ich nehme an, dass sie sich für das, was ihr ihnen antut, rächen wollen“ entgegnete Rajin. „Oder geben sie euch freiwillig ihre beseelten Fäden?“
„Nein, dass kann man nun wirklich nicht sagen. Wir müssen sie ihnen aus dem Inneren herausholen und dazu ihre Kopfkörper spalten, was keineswegs so leicht ist, wie es sich anhört.“
„Und Ihr beklagt Euch über deren Grausamkeit?“, wunderte sich Rajin.
„Es handelt sich bei ihnen nicht um Wesen mit Verstand und eigenständigem Willen“, erklärte der Anführer der Vogelmenschen. „Sie gehorchen den Befehlen des berauschten Riesen, und der ist unser Feind und versucht uns vom Antlitz dieses Mondes zu tilgen, seit wir hier sind. Glücklicherweise ist er die meiste Zeit nicht im Vollbesitz seiner Kräfte, sonst hätte er das längst geschafft. Er ist es auch, der aus diesen Webergesellen heimtückische Mörder macht.“
„Du sprichst von Groenjyr, dem Gott des Schicksals“, stellte Rajin fest.
„Euer Volk erzählt sich viele Geschichten über ihn. Vielleicht kam es früher öfter
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