Drachenflamme: Roman (German Edition)
würde ihre wurmzerfressenen Leichname ein Jahr und länger hängen lassen, damit es ihren Anhängern eine Lehre ist. Vielleicht haben wir dann wieder etwas mehr Disziplin.«
»Nein, eine solche Pflicht ist mir nicht klar«, entgegnete Granby unvorsichtigerweise ganz direkt. Später, als er mit Laurence und Riley allein war, fügte er hinzu: »Ich wüsste auch nicht, warum es unsere Aufgabe sein sollte, die Kolonie davon zu überzeugen, ihn wieder zurückzunehmen. Mir scheint, dass ein Bursche, gegen den drei oder vier Mal gemeutert wurde, nicht nur von Pech reden kann.«
»Dann sollten Sie mich an Bord nehmen«, knurrte Bligh, als Riley ihm ebenfalls – allerdings viel höflicher – seine Weigerung mitteilte,
ihm in seinem Bestreben behilflich zu sein. »Ich werde mit Ihnen nach England zurückkehren und dort die Umstände persönlich zur Sprache bringen. Das zumindest können Sie mir nicht abschlagen«, betonte er, und er hatte recht. Ein Verwehren dieses Ansinnens könnte sich in politischer Hinsicht als ausgesprochen gefährlich für Riley erweisen, dessen Position weitaus weniger gesichert war als die von Granby. An ihm gab es keinerlei besonderes Interesse, das ihm Schutz geboten hätte. Blighs wirkliches Ziel war natürlich nicht die Rückkehr nach England, sondern er wollte in ihrer Begleitung und unter Rileys Schutz in der Kolonie ankommen, um so die Gelegenheit zu haben, seine Überredungsversuche weiterzuführen, solange sie ihm Hafen lagen.
Angesichts von Blighs Gemütszustand war nicht anzunehmen, dass Laurence sich in den Dienst dieses Gentleman stellen konnte, ohne sofort aufgefordert zu werden, ihm wieder zu seinem Amt zu verhelfen und Temeraire auf die Rebellen zu hetzen. Selbst wenn dies Laurence’ eigenen Interessen entgegengekommen wäre, so war es ihm doch ganz und gar zuwider. Er hatte einmal zugelassen, dass er und Temeraire in einem Krieg als Mittel zum Zweck missbraucht worden waren – von Wellington in Englands größter Not gegen die französischen Besatzer. Noch immer hatte er einen widerwärtigen Geschmack im Mund, und er würde sich nie wieder in dieser Art und Weise benutzen lassen.
Sollte sich Laurence allerdings in den Dienst des Neusüdwales-Korps stellen, würde er damit zum Unterstützer der Meuterei werden. Es bedurfte nicht viel politischen Verständnisses, um zu wissen, dass ausgerechnet dies eine Beschuldigung war, die er ganz und gar nicht gut gebrauchen konnte. Vermutlich wäre es ein solcher Vorwurf, der von seinen und Temeraires Gegnern am ehesten geglaubt und aufgegriffen werden würde, um jede Hoffnung auf eine Rückkehr zu vereiteln.
»Ich verstehe das Problem nicht. Es gibt doch gar keine Veranlassung, warum du dich irgendjemandem unterordnen musst«, beharrte Temeraire, als der besorgte Laurence ihm gegenüber das Thema anschnitt. Sie befanden sich auf dem Schiff und waren auf dem Weg von Van-Diemens-Land nach Sydney, der letzten Etappe ihrer Reise, die Laurence noch vor einiger Zeit herbeigesehnt hatte und nun nur allzu gerne ausgedehnt hätte. »Uns ging es doch all die Zeit auf See gut, und uns wird es auch in Zukunft gut gehen, selbst wenn einige lästige Leute mehr als unhöflich waren.«
»Vom Gesetz her unterstehe ich Kapitän Riley, und das kann auch noch eine kleine Weile so bleiben«, antwortete Laurence. »Aber nicht mehr lange. Eigentlich müsste er mich mit dem Rest der Gefangenen an die Behörden übergeben.«
»Warum sollte er das tun? Riley ist ein vernünftiger Mann«, wandte Temeraire ein, »und wenn du irgendjemandem unterstehen musst, dann doch wohl besser ihm als Bligh. Ich kann jemanden nicht leiden, der nicht aufhören will, uns beim Lesen zu stören, und das vier Mal, nur weil er sich noch einmal darüber beklagen will, wie schlimm die Kolonisten sind und wie viel Rum sie trinken. Ich wüsste zu gerne, warum das irgendeinen von uns interessieren sollte.«
»Mein Lieber, Riley wird nicht mehr lange bei uns sein«, sagte Laurence. »Ein Drachentransporter kann nicht einfach nur im Hafen herumliegen. Es ist das erste Mal, dass ein solches Schiff in diesen Teil der Welt geschickt wurde, und zwar nur, um uns hier abzusetzen. Wenn das Schiff geschrubbt und der Besanmast ersetzt worden ist, der in der Nähe des Kaps einen Schlag abbekommen hat, dann wird die Reise wieder losgehen. Ich bin mir sicher, dass Riley nur zu bald neue Befehle erwartet, vermutlich vom nächsten Schiff, das nach uns in den Hafen einläuft.«
»Oh«,
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