Drachenflamme: Roman (German Edition)
lassen, um sich mit Kapitän Riley zu besprechen. Er hatte sich praktisch selbst zum Abendessen eingeladen und die Unterhaltung bestritten, wobei er geflissentlich darüber hinwegsah, dass dieses Privileg eigentlich Riley zustand. Da er selber ein Mann der Marine war, musste ihm diese Gepflogenheit sehr wohl bekannt sein.
»Ein Jahr und noch immer keine Antwort«, hatte Bligh voller Verachtung und Zorn geklagt und mit einer Hand Rileys Stewart einen Wink gegeben, er solle ihn noch einmal die Flasche herumreichen lassen. »Ein ganzes Jahr ist vergangen, Kapitän, in dem diese aufrührerischen Würmer in Sydney mit ihrer Zügellosigkeit und durch Aufwiegelung den Pöbel für sich einnehmen konnten. Es bedeutet ihnen nichts, rein gar nichts, wenn aus jedem Kind, das je von einer Frau an dieser Küste zur Welt gebracht worden ist, ein Bastard, ein Hundsfott oder ein versoffenes Wrack wird, solange die Bevölkerung ihre kümmerliche Arbeit auf den Farmen erledigt und sich still dem Joch beugt. Lasst den Rum in Strömen fließen ist ihre einzige Devise, und Alkohol ist ihr Zahlungsmittel und das Maß aller Dinge.« Er selbst jedoch hielt sich keineswegs beim gewöhnlichen Wein zurück, obschon dieser beinahe sauer wie Essig war, oder bei
Rileys letzten Vorräten an Portwein. Auch aß er gut, wie es üblich war bei einem Mann, der zumeist mit Zwieback und nur gelegentlich mit etwas Fleisch auskommen musste.
Laurence war schweigsam und rollte den Stiel seines Glases zwischen den Fingern hin und her, denn ob er wollte oder nicht: Er empfand ein wenig Mitgefühl. Wenn er selbst sich nur ein bisschen weniger unter Kontrolle gehabt hätte, hätte er genauso über die vereinte Feigheit und Dummheit gewettert, die dazu geführt hatten, dass man Temeraire ins Exil schickte. Auch er sehnte sich danach, rehabilitiert zu werden. Selbst wenn ihm das nicht seinen Rang wiederbringen oder ihm den Weg zurück in die Gesellschaft ermöglichen würde, sollte es ihn doch zumindest an einen Ort führen, wo er von Nutzen wäre. Stattdessen saß er hier am anderen Ende der Welt auf nacktem Fels herum und haderte mit seinem Schicksal.
Doch nun könnte Blighs Untergang ganz leicht zu seinem eigenen werden. Seine einzige Hoffnung auf eine Rückkehr bestand in einer Begnadigung für sich selbst und für Temeraire durch den Gouverneur der Kolonie – oder zumindest in einer guten Beurteilung –, um diejenigen in England zu beruhigen, deren Ängste und kleinliche Eigeninteressen dafür gesorgt hatten, dass sie fortgeschickt worden waren. Er hatte immer die leise Hoffnung gehabt, auch wenn sie noch so gering war, dass Jane Roland ganz sicher die Rückkehr von Englands einzigem Himmelsdrachen wünschte, wo sie sich doch Lien auf Seiten des Feindes stellen musste. Laurence hegte die Hoffnung, dass die beinahe abergläubische Furcht vor Himmelsdrachen, die sich nach den entsetzlichen Verlusten durch Liens Angriff auf die Marine während der Schlacht von Shoeburyness allerorts breitgemacht hatte, wieder etwas nachlassen würde und besonnenere Gemüter zu bereuen beginnen würden, dass eine so wertvolle Waffe weggeschickt worden war.
Wenigstens hatte Roland das Laurence ermutigend geschrieben
und ihm den Rat gegeben: Ich bete, dass ich die Viceroy losschicken kann, euch abzuholen, sobald sie wieder instand gesetzt ist. Aber um Gottes willen, stell dich gut mit dem Gouverneur, wärst du wohl so freundlich? Ich wäre dir sehr verbunden, wenn es ruhig um dich wäre; es wäre auch günstig, wenn du im nächsten Bericht aus der Kolonie keinerlei Erwähnung finden würdest, ob im Guten oder im Schlechten, weil du dich lammfromm verhalten hast .
Was das anging, wurde jede Hoffnung in dem Augenblick zunichtegemacht, als Bligh seine Lippen abtupfte, seine Serviette auf den Tisch fallen ließ und sagte: »Ich will nicht lange drum herumreden, Kapitän Riley: Ich hoffe, unter den gegebenen Umständen ist Ihnen klar, worin Ihre Pflicht besteht, und Ihnen ebenfalls, Kapitän Granby«, fügte er hinzu.
Diese Pflicht bestand natürlich darin, Bligh zurück nach Sydney zu bringen und dort die Kolonie einzunehmen oder mit Beschuss zu bedrohen, um dann die Anführer MacArthur und Johnston der Gerichtsbarkeit zu übergeben. »Ich gehe davon aus, dass sie am Ende aufgeknüpft werden wie meuternde Hundesöhne, was sie ja schließlich auch sind«, sagte Bligh. »Das ist die einzige Möglichkeit, den Schaden wiedergutzumachen, den sie angerichtet haben. Bei Gott, ich
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