Drachenflamme: Roman (German Edition)
schließlich in der Luft auflöste. Aus der Entfernung klangen Rufe, Schreie und die Schiffsglocke, die zur Viertelstunde geschlagen wurde, zu ihnen herüber. Langsam entfernte sich das Schiff in Richtung der hereinbrechenden Nacht, und nach und nach verschwand sein Rumpf am Horizont. Nach einer Weile waren nur noch die Segel zu erkennen, die in der Ferne dahinglitten. Wenig später musste sich Temeraire bereits auf seine Hinterbeine stellen und den Hals recken, um am Himmel noch den Schein der Laternen erkennen zu können. Dann verschmolz auch dieser mit dem Leuchten der aufgehenden Sterne, und endlich, zwischen einem Lidschlag und dem nächsten, verlor Temeraire das Schiff gänzlich aus den Augen. Die Allegiance war fort. Zum ersten Mal hatte Temeraire einem Schiff vom Ufer aus dabei zugesehen, wie es davonsegelte.
Jetzt, wo sie nicht mehr da war, sah der Hafen merkwürdig leer und klein aus, und es schien kaum vorstellbar, dass ein derart großes Schiff an diesem Ort gewesen war. Größe und Erscheinungsbild all der anderen Schiffe, die neben ihr so winzig ausgesehen hatten, wirkten nun wieder ganz normal. »Warum sollte sie nicht eines Tages zurückkehren?«, fragte Temeraire Laurence. »Ein Schiff kann segeln, wohin es mag. Immerhin wurde sie ja schon einmal hierher entsandt. Es könnte doch sein, dass sie noch weitere Drachen herschicken wollen. Davon abgesehen, wäre es wirklich anstrengend, noch einmal acht Monate lang auf See zu sein, wie es Iskierka ja jetzt
wahrscheinlich bevorsteht. Es sei denn, man schickt sie nach Brasilien«, endete er dann doch noch verzagt. Er war sich sicher, dass man Iskierka tatsächlich nach Brasilien abkommandieren würde. Das Glück war eben auf ihrer Seite. Seiner Meinung nach war es wirklich nicht sehr fair, dass jemand von solcher Sorglosigkeit sich derartige Schätze würde aneignen können, ganze Schiffsladungen an Vieh verzehren und auch noch zahlreiche Kämpfe erleben durfte – gewissermaßen alles, was das Leben eines Drachen angenehm machte.
Aber er war entschlossen, nicht Trübsal zu blasen. Er würde Laurence nicht zur Last fallen, der hierbleiben und mit Rankin und diesem neuen Gouverneur fertigwerden musste. Temeraire war allerdings gezwungen, sein vorheriges Bild von Macquarie zu überdenken. Zwar hielt Laurence mehr von ihm als von Bligh, worin Temeraire auch durchaus mit ihm übereinstimmte, aber Macquarie schien entschlossen, bei Rankin und nicht bei Laurence Rat zu suchen. Zu den verschiedenen Konferenzen, auf denen der Angriffsplan weiter ausgearbeitet werden sollte, war Laurence nicht einmal eingeladen.
Stattdessen kehrte Rankin nach solchen Besprechungen zum Stützpunkt zurück und präsentierte den Fliegern auf höchst offizielle Weise die Ergebnisse. Wenn Laurence dann eine Anmerkung machte oder eine Frage stellte, pflegte Rankin ihn spitz als Mr. Laurence anzusprechen, während er die anderen beispielsweise als Leutnant Blincoln titulierte. Nur an Fähnriche, wie Mr. Peabody oder Mr. Dawes, wandte er sich sonst noch auf diese Weise, was dem Vorgehen noch mehr Schärfe verlieh.
»Das macht mir gar nichts aus«, antwortete Laurence, nachdem Temeraire ihm eröffnet hatte, wie sehr ihn dieses Verhalten ärgere. »Genauso gut könnte er einfach ablehnen, mir überhaupt etwas über die Inhalte der Besprechungen mitzuteilen. Oder er könnte uns einen Mann an Bord schicken, der uns während der Schlacht Befehle geben dürfte. Auch dazu hätte er das Recht.«
»Als ob ich so etwas zulassen würde«, schnaubte Temeraire. »Er weiß mit Sicherheit, dass er in solch einem Falle ohne mich und wahrscheinlich auch ohne Kulingile in die Schlacht ziehen müsste.«
»Ist schon wieder Essenszeit?«, fragte Kulingile, der beim Klang seines Namens schläfrig ein Auge geöffnet hatte.
»Nein, aber ich denke, du wirst nicht mehr lange warten müssen.« Tharkay war gerade den Hügel emporgestiegen. »Auf dem Weg bin ich an einer Schlachtung vorbeigekommen.«
Er schüttelte Laurence die Hand, denn zu Temeraires großem Bedauern war auch er gekommen, um sich zu verabschieden. »Der Eigner der Miniver hat mir mitgeteilt, dass er den Hafen von Bombay anlaufen will«, berichtete Tharkay. »Von dort aus finde ich den Weg nach Istanbul.« Sein Lächeln wirkte ein wenig gequält. »Bis ich dort angekommen bin, dürfte der Großteil meiner Informationen zwar veraltet sein, aber ich habe versprochen, einen Bericht abzuliefern.«
Temeraire konnte einfach nicht einsehen, warum
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