Drachenflamme: Roman (German Edition)
Granby hastig ein. »Der Drache schlüpft gerade.«
Die Schale brach nicht gleichmäßig, wie Temeraire sofort mit kritischem Blick bemerkte. Stattdessen zersprang sie in kleinste
Stückchen. Und dann schob sich der Schlüpfling schließlich mit einer letzten Anstrengung heraus, die die Schale vollends zerbersten ließ, und schüttelte sich. Der Drache war in Temeraires Augen nicht besonders ansehnlich: Wie Wringe war er völlig grau, abgesehen von zwei sehr breiten Farbstreifen, die vom Brustknochen aus unter den Flügelgelenken entlangliefen und dann über das Rückgrat hinweg bis zum langen, knochigen Schwanz in Flecken ausliefen. »Guter Körperbau«, flüsterte Granby Laurence zu. »Hat einfach die Schale gesprengt. Schultern so breit, wie man es sich nur wünschen kann.«
Der Schlüpfling war vorne recht schwer gebaut, wie Temeraire bemerkte, und er hatte sehr geschickte Vorderklauen, die er beinahe sofort zum Einsatz brachte. Rankin machte zwei rasche Schritte nach vorne, in der Hand die Kapuze. Doch zu Temeraires großer Freude riss der Jungdrache sie ihm aus der Hand, schleifte sie ein Stück weg und sagte: »Nein, ich werde mir so etwas nicht aufsetzen lassen.« Damit schlug er die Zähne in das andere Ende der Kapuze und zerriss das Leder mit einem Klauenhieb.
Die Reste warf er mit einem äußerst zufriedenen Ausdruck zu Boden. »Bitte sehr. Und jetzt bring das weg und gib mir Fleisch.«
Rankin erholte sich rasch von seinem Rückschlag und sagte: »Du kannst dich satt essen, sobald du dir das Geschirr hast anlegen lassen.«
»Das musst du ganz und gar nicht zulassen«, warf Temeraire ein und ignorierte die vorwurfsvollen Blicke, die ihm die anderen Flieger zuwarfen. »Du kannst dir auch selbst ein leckeres Känguru holen, wann immer du möchtest.«
»Will ich aber nicht. Ich mag den Geruch von dem Fleisch da drüben«, sagte der Schlüpfling und legte nachdenklich den Kopf auf die Seite. »Und was dich angeht: Du bist der Sohn eines Earls, nicht wahr?« Er musterte Rankin eindringlich. »Eines besonders beeindruckenden Earls?«
Rankin sah ein wenig verwirrt aus, doch nach einer Pause sagte er: »Der Stammbaum meines Vaters reicht bis ins zwölfte Jahrhundert zurück.«
»Ja, aber ist er denn auch reich?«, fragte der Schlüpfling.
Rankin erwiderte: »Ich möchte nicht unhöflich sein und so offen über die Lebensumstände meiner Familie sprechen.«
»Nun, das klingt zwar gut, aber dann erfahre ich ja nichts Wichtiges«, bemerkte der Jungdrache. »Hat deine Familie Kühe?«
Rankin zögerte und war sichtlich hin- und hergerissen, dann antwortete er: »Ich glaube, es gibt einige Molkereien auf den Anwesen meines Vaters – ich denke, mit einem Bestand von mehreren Hundert Tieren.«
»Gut, gut«, sagte der frisch geschlüpfte Drache wohlwollend. »Dann lass uns doch mal dieses Geschirr ansehen. Und während du damit beschäftigt bist, höflich zu sein, kannst du mich ja schon mal kosten lassen, während ich die Sache überdenke. Mir gefällt dein Haar«, fügte er hinzu, und selbst Temeraire musste zugeben, dass Rankins Schopf einen besonders aparten Blondton hatte, der im Sonnenlicht golden schimmerte. »Und dein Mantel gefällt mir ebenfalls, auch wenn dieser Mann da schönere Knöpfe hat«, womit Granby gemeint war, »aber ich schätze, man kann auch bei dir solche Exemplare annähen, nicht wahr?«
»Aber du willst ihn doch gar nicht!«, stieß Temeraire verzweifelt aus. »Er ist eine extrem unangenehme Person, und er hat Levitas so schrecklich vernachlässigt, obwohl der sich doch immer solche Mühe gegeben hat, ihm zu gefallen. Und dann ist Levitas gestorben, und das war nur Rankins Schuld.«
»Ja, das hast du mir immer und immer wieder erzählt, während ich mich aufs Schlüpfen vorbereitet habe, und ich muss wirklich sagen, dieser Levitas-Bursche klingt wie ein entsetzlicher Einfaltspinsel«, sagte der Jungdrache. »Ich will einen Kapitän, der der Sohn eines Earls ist und der reich ist. Ich habe nicht vor, Tag für Tag nur
Känguru-Fleisch zu essen, nein, besten Dank. Und ich will auch nicht herumfliegen und selber Prisengelder gewinnen müssen.« Dann sah er auf das Geschirr, das ihm Rankin unsicher entgegenstreckte, und ergänzte: »Das da ist nicht mal annähernd ausreichend hübsch. Die Schnallen sind schmutzig, scheint mir.«
»Sie sind auf jeden Fall verschmutzt«, warf Temeraire mit drängender Stimme ein, »und so sah auch Levitas’ Geschirr immer aus: völlig vom Dreck
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