Drachenfluch1: Zauberschmiedekunst (German Edition)
durfte, seine Kräfte zu nutzen. Geschmeichelt hatte es ihr, dass der zwölf Jahre ältere Junge sich von ihr heimlich im Lesen, Schreiben und der Zubereitung von Zaubertränken unterrichten ließ. Wie hatte sie geweint, als er irgendwann aus Cha’ari fortging! Kilaja hatte ihn nie vollständig aus den Augen verloren, doch leider gelang es Callin, sich mittels seiner Magie vor ihr zu schützen und die meisten seiner Geheimnisse vor ihr zu verbergen. Zudem hatte er ihren heimlichen Geliebten – den Verräter, wie sie ihn hasste! zu seinem eigenen Verbündeten gemacht, was sie erst erfuhr, nachdem sie ihn fortschicken musste, da ihre Diener über den Karsländer zu tuscheln begannen. Dieser Verräter hatte sie benutzt. Ausgehorcht, ihre Schwachstellen ausspioniert!
Doch das alles war lange vergangen und heute nicht mehr wichtig. Als sich das gewohnte warme Prickeln in ihr ausbreitete, das eine Vision ankündigte, beugte Kilaja sich begierig vor. Endlich, der Nebel in der Kristallschale lichtete sich, ein Gesicht wurde sichtbar. Das fremde Gesicht eines jungen Mannes. Ob das dieser Jiru war, von dem man ihr berichtet hatte? Callins neuester Sklave. Kilaja stockte der Atem, als das Bild sich festigte und sie das Drachenmal auf der Stirn des Jungen erkannte. Gold und Silber! Die doppelte Prägung, sie war bereits gelungen! Jiru lebte und sie spürte, dass er bei Verstand war. Der Verräter beugte sich gerade über ihn, Callin hingegen war nicht zu sehen. Lächelnd löste Kilaja sich aus der Vision. Ja, sie hatte also doch alles richtig gemacht. Sollten Callin und der Verräter sich den Ruhm sichern, das war ihr gleichgültig. Es war ihre Chance, die Westwindländer auf den Gipfel der Macht zu bringen. Wenn die beiden Erfolg haben wollten, würde über kurz oder lang kein Weg an Cha’ari vorbeiführen, denn hier befanden sich die weiblichen Zauberschmiede …
„Jedes Geschöpf, von der niedersten Pflanze bis zum mächtigsten Tier, ist von göttlicher Kraft beseelt. So, wie jedes Geschöpf einzigartig ist, ist auch jeder Gott einzigartig, denn der Gott und jene Lebensform, die er beseelt, sind eins. Die zahllosen Götter sind je ein Aspekt des All-Einen, für den wir keinen Namen haben. Auch wenn manche glauben, Nahib, der Schöpfergott, sei der All-Eine. Das sind für gewöhnlich diejenigen, die glauben, das Reich am Grund des Schlundes sei das Heim der göttlichen Verderber, jener Kräfte, die der Schöpfung entgegentreten, um das Gleichgewicht zwischen Tod und Leben zu wahren. Es ist unnötig, sie bekehren zu wollen, die Wahrheit findet uns alle spätestens am Ende unseres Lebens.“
Aus: „Götterdämmern“, Verfasser und Datum unbekannt, aufbewahrt in der geheimen Bibliothek des Nahib-Tempels von Nadur.
„Ich brauche niemanden, der sich um mich kümmert, ich bin kein kleines Kind mehr und auch nicht invalide“, sagte Jiru leise.
Es klang wenig überzeugend und sein Blick hing flehendlich an Ilajas, während er sprach.
„Die Dämonen sind … Es ist erträglich. Ja, wirklich. Sie schweigen viel und kichern nicht mehr die ganze Zeit, zumindest haben sie das versprochen. Wir haben uns sogar darauf geeinigt, dass ich sie sofort zur Ruhe bringen kann, indem ich an den Apfelstrudel meiner Mutter denke. Mit Rosinen und Weincremesauce …“
„Apfelstrudel?“ Jirus sehnsüchtiger Gesichtsausdruck zwang Ilajas unwillkürlich zum Schmunzeln. „Du hast Glück, ich muss Fleckenkohlgeruch heraufbeschwören, damit Hiks die Klappe hält.“
„Hey!“
„Ganz ruhig, Hiks, ich habe gerade keinen Grund, mich selbst quälen zu wollen.“
„Die zwei müssen es wirklich gut mit dem Kleinen meinen“, meinte Hiks nachdenklich. „Es fällt uns Dämonen nicht leicht, uns ruhig zu halten und wir wollen nicht, dass unsere Menschen meinen, alles mit uns machen zu können. Ein weiterer Grund, warum die meisten von uns überhaupt nicht versuchen, mit euch zu reden. Wenn sie eine schöne Erinnerung als Zeichen zulassen, wollen sie wohl, dass der Junge sich nicht noch elender fühlen muss. Was ein beruhigender Gedanke ist.“
Es war nicht zu übersehen, wie schlecht es Jiru ging, seit er heute Morgen aufgewacht war. Das war unvermeidlich, sein gesamter Organismus musste sich an die zweifache Bindung anpassen. Spätestens an diesem Punkt waren alle bisherigen Versuchsopfer zusammengebrochen. Jiru hielt sich, auch wenn er erbarmungswürdig aussah. Die Präsenz der Dämonen beeinflusste ihn offensichtlich körperlich wie
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