Drachengold: Roman (German Edition)
Stunde lang aus, indem sie auf ihren Hinterbeinen kauerten, während die Wellen immer wieder über ihren Klauen zusammenschlugen. Die Seeleute im Bauchnetz hatten sich nach oben gezogen und hingen dort fest, um den Wassermassen, so gut es ging, zu entgehen. Inzwischen hatten sie das Jammern tatsächlich aufgegeben.
Die Drachen ließen im Halbschlaf ihre Köpfe hängen. Schließlich schreckte Iskierka hoch und quengelte: »Wir können auch ebenso gut weiterfliegen. Es ist sinnlos, hier herumzusitzen und immer kälter zu werden.« Damit schüttelte sie sich den salzigen Meeresschaum von ihren Flügeln und schwang sich wieder in die Luft.
»Bist du bereit?«, fragte Laurence Temeraire.
»Oh, gewiss«, antwortete Temeraire, auch wenn es mehr wie ein Murmeln klang. Er streckte seinen Kopf weit und knackend vor, und dann hob auch er mit einem mächtigen Satz wieder ab. Kulingile folgte ihnen gleich darauf.
Der Tag kroch dahin und wurde nur durch die Flügelschläge in Einheiten zerteilt. Temeraire machte sich nur selten die Mühe, die Augen zu öffnen, und änderte seinen Kurs lediglich dann, wenn Laurence ihn sanft klopfte und ihm sagte, wie er ihre Flugrichtung anpassen sollte. Einmal erwachte er von kaltem Wasser und von Kreischen, ehe er eilig wieder an Höhe zulegte. Er war so weit abgesackt, dass eine anrollende Welle ihn mitten ins Gesicht getroffen und seinen ganzen Bauch unter Wasser gesetzt hatte.
Nur zu gerne hätte Temeraire Laurence versichert, dass dies nur ein Unfall gewesen sei, ein kleiner Moment der Unachtsamkeit und auf keinen Fall ein böses Anzeichen. Natürlich war er müde, aber nicht annähernd so müde. Laurence durfte sich keine Sorgen machen. Aber irgendwie wurde das Atmen immer anstrengender, und wenn Temeraire Luft geholt hatte, nutzte er sie nicht zum Sprechen, sondern lieber zum Fliegen, denn sie war so eisig kalt.
Auch Iskierka und Kulingile flogen inzwischen hart über der Wasseroberfläche, und sie blieben jetzt näher beieinander. Temeraire sah, wie Iskierkas Schwanz für einen Augenblick das Wasser aufwühlte. Kulingile flog etwas über ihr, aber auch er konnte die Höhe nicht mehr halten. Temeraire atmete noch einmal tief ein und brüllte – ein armseliges Brüllen, in dem nichts von der eigentlichen Kraft, zu der er sonst fähig war, mitschwang. Es war lediglich eine trotzige Geste, und als der Laut über das Wasser getragen wurde, riss Iskierka den Kopf hoch. Sie schaute zu ihm hinüber und stieß als Antwort eine dünne, zittrige Flamme aus, und dann schwangen sich alle drei Drachen mit neuer Entschlossenheit wieder ein wenig höher hinauf.
Dunkelheit stieg vom Rand der Welt auf, ein langer, blauer Bogen, von nichts durchbrochen, das eine Ruhemöglichkeit versprochen hätte. Da waren kein Land, keine Segel, nicht einmal ein weiteres Riff. Temeraire bemerkte kaum, dass eine neue Nacht hereinbrach. Die ganze Welt schien auf den nächsten Flügelschlag zusammengeschrumpft zu sein und auf den danach. Temeraire fing die Luft mit den gewölbten Schwingen ein und fächelte sie mit jedem Zug hinter sich, während er versuchte weiterzuatmen. Er kämpfte darum, genügend Luft einzusaugen, um auch den nächsten Flügelschlag noch zu meistern. Er konnte hören, wie unter ihm die Wellen brachen.
»Temeraire«, sagte Laurence, dann wieder »Temeraire«, als hätte er es bereits mehr als einmal gerufen. »Dort vorn steuerbords sind zwei Punkte, mein Lieber.«
Temeraire drehte ab und flog weiter. Er war sich nur entfernt bewusst, dass es oben auf ihm Bewegung gab, Signale mit den Laternen und einige hüpfende Lichter als Antwort von vorne. Dann stieg ein zischendes blaues Licht von seinem Rücken auf.
Die schmerzhaft gleißende Kugel verharrte einen Moment lang über dem Ozean, eine Insel mitten in der Dunkelheit, und mit einer letzten, verzweifelten Anstrengung schob sich Temeraire über das Deck und ließ sich dann fallen. Fässer aller Art waren hastig in alle Richtungen fortgeräumt worden, und warme – oh, ja, warme! – Körper rückten zur Seite, um Platz für ihn und Iskierka zu machen, und Kulingile landete halb auf ihnen beiden. Temeraire war das vollkommen egal.
Die Männer in den Bauchnetzen brüllten protestierend und flehten um Mitleid. Temeraire packte Iskierka am Schaft ihres Halses und verhinderte damit, dass sie sich auf ihre eigenen Mitreisenden niederlegte. Messer und Äxte waren bereits im Einsatz, die Netze wurden aufgeschnitten, und die Männer quollen in alle
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