Drachengold: Roman (German Edition)
fügte er hinzu: »Es ist doch nicht Granbys Schuld, wenn Ihr Gast Iskierka dazu auffordert, ihr Können unter Beweis zu stellen, und außerdem war sie sehr umsichtig.« Nicht, dass Iskierka ständig mit ihrer Feuerspuckerei angeben musste – gewöhnlich hätte Temeraire sie deswegen mit Freuden selbst gerügt, aber davon konnte in dieser Situation natürlich nicht die Rede sein.
Iskierkas Antwort war vielstimmig, denn sie zischte gleichzeitig aus der Kehle und aus ihren vielen Stacheln. Damit weckte sie Kulingile auf, der verschlafen eines seiner Augenlider ein Stückchen hob, dann träge nach oben spähte, wo Iskierka auf seiner Schulter erbost auf und ab hüpfte, und fragte: »Gibt es noch irgendwas zu futtern?«
Es war zum Verrücktwerden, den immer lauter werdenden Tumult einen guten halben Meter über einem auf dem Drachendeck zu hören, ohne irgendetwas unternehmen zu können. »Ich schätze, wir können von Glück sagen, wenn dieses Schiff am Ende nicht auch noch untergeht«, stöhnte Granby, der in einer Hängematte lag, ohne seine Augen zu öffnen. Sein Gesicht wirkte eingefallen, und der Schmerz hatte tiefe Falten gegraben.
Kapitän Thibaux hatte sich als ausgesprochen großzügig erwiesen, hatte seinen Arzt geschickt, damit dieser Granbys Arm versorgte, und hatte ihnen durch einen Steward ein ausgezeichnetes Abendessen bringen lassen, obwohl sie so ausgehungert waren, dass es auch ein weitaus bescheideneres Mahl getan hätte. Aber ungeachtet dessen standen Wachposten an der Tür; vier Männer, die schwer bewaffnet waren und zu allem entschlossen aussahen. Laurence machte sich keine Illusionen darüber, wie ihre Befehle lauteten: Die Soldaten warfen sich besorgte Blick zu und starrten zur Decke, als der Lärm der streitenden Drachen anschwoll.
Bald jedoch verebbte der Krach, und kurz darauf klopfte es an der Kabinentür.
»Kapitän Laurence, ich bedauere es zutiefst, weil das Schicksal es zu wollen scheint, dass wir uns immer unter so ungünstigen Umständen treffen«, bemerkte Monsieur De Guignes. »Gestatten Sie?« Er goss einen exquisiten Madeira ein. »Wenn dieser endlose Krieg doch noch irgendwann vorbei ist, dann bestehe ich darauf, dass Sie mich besuchen kommen, damit ich mich Ihnen gegenüber gastfreundlicher zeigen kann, wenn es denn Gottes Wille ist, dass wir beide verschont werden.«
»Sie sind zu freundlich, Sir, Monsieur. Es wäre mir eine große Freude«, antwortete Laurence und nahm das Glas eher aus Höflichkeit denn mit großer Begeisterung entgegen. Im Augenblick konnte er nur darauf hoffen, dass er diese Zeit nicht in einem französischen Gefängnis verbringen würde, sodass es wenig Hoffnung auf eine Verwirklichung der oben genannten Pläne gab. »Ich fürchte, Temeraire ist ein unbequemerer Gast.«
De Guignes lächelte. »Er macht keine größeren Schwierigkeiten als meine Geneviève«, sagte er und legte voller Stolz seine Hand auf ein kleines Ehrenabzeichen an seinem Ärmel: die Legion de L’Aille , eine kürzlich von Napoleon ins Leben gerufene Auszeichnung, die zusammen mit einem Drachen-Ei und einer Zuwendung für die zukünftige Versorgung des Tieres verliehen wurde. Laurence lauschte dieser Erklärung mit einiger Verblüffung, und als De Guignes später gegangen war, ertönte von Granbys Hängematte ein schnaubendes Lachen, dann sagte er: »Gütiger Himmel, Bonaparte schafft es noch, den Besitz eines Drachen in Mode zu bringen. Ich schätze, in diesen Tagen will jeder seiner neuen Aristokraten einen Drachen haben.«
»Madame Lien hat sich bereit erklärt, ihren Rat beizusteuern, was die gewinnbringendsten Kreuzungen angeht«, fuhr De Guignes jetzt fort. »Geneviève spricht bereits fünf Sprachen; und die letzte davon hat sie erst gelernt, nachdem sie schon geschlüpft war.«
Laurence war es vorher überhaupt nicht in den Sinn gekommen, dass Lien die französischen Zuchtlinien beeinflussen könnte. Die Admiralität hatte sich vielmehr dazu beglückwünscht, dass Lien als ein Weibchen nur eine Handvoll Nachkommen haben könnte, die sich in den Dienst Napoleons stellen würden. Laurence selbst hatte sogar das immer stark bezweifelt, da Lien sehr stolz auf ihren eigenen Stammbaum war und die westlichen Züchtungen verachtete. Gewiss waren die Chinesen unangefochtene Meister in der Technik des Drachenzüchtens, aber Laurence hatte immer geglaubt, dass dafür eine ausgesuchte Gruppe von handverlesenen Gentlemen verantwortlich wäre, ganz wie es in England und Frankreich
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