Drachengold: Roman (German Edition)
mit dir herumtragen, mein Lieber. Außerdem werden wir uns viel eher nach Land als nach Wasser sehnen.«
Eine Stunde verging, in der noch mehr Ausrüstungs- und Versorgungsgegenstände und einige weitere Überlebende vom Schiff geholt wurden, dann kam Iskierka zu ihnen geflogen. »Wir nehmen niemanden mehr an Bord«, rief ihnen Granby erschöpft zu. Seine Schulter war bandagiert und sein Arm fest an den Körper gebunden. »Es ist keiner mehr am Leben; das Wasser ist zu kalt. Wir sollten besser aufbrechen.«
»Fliegt in Richtung Nordosten«, sagte Laurence. »Wir halten uns so weit von den anderen entfernt wie möglich, ohne dass wir außer Sicht geraten. Auf diese Weise können wir am besten nach Land Ausschau halten. Und achtet darauf, dass Iskierka und Kulingile für die Nacht Positionslichter haben.«
Es war sehr seltsam, endgültig von den Überresten der Allegiance wegzufliegen, hinaus aufs offene Meer ohne irgendein festes Ziel, und es schuf ein Gefühl von Verlassenheit. Inzwischen war das Schiff beinahe vollständig ins Wasser gesunken und verschwand immer schneller; nur das Drachendeck ragte noch in den Himmel. Die Rettungsboote des Transporters waren völlig mit Seeleuten überfüllt, die versuchten, eilig davonzurudern. Die Drachen konnten natürlich nicht bei ihnen bleiben, und man hatte sich nur mit kurzen Zurufen verständigt. Leutnant Burrough hatte das Kommando über diese Rettungsboote, und Leutnant Paris, ein Junge von fünfzehn Jahren, trug die Verantwortung für ein Beiboot der Allegiance , das hatte gerettet werden können, unterstützt von Fähnrich Darcy.
»Du kannst Riley noch immer nirgends entdecken, oder?«, fragte Laurence leise, nachdem sie die wichtigsten Informationen mit den Männern in den Booten ausgetauscht hatten.
»Nein …«, antwortete Temeraire nach einem kurzen Augenblick. Riley hatte ihm jenen riesigen, rotfleischigen Thunfisch gebracht, nur drei Tage, nachdem er, Temeraire, geschlüpft war. Temeraire war in seinem ganzen Leben nie wieder so hungrig gewesen wie in jenen ersten Tagen, und Laurence hatte zu diesem Zeitpunkt gerade geschlafen. Riley war selbst mit dem Fisch zu ihm in die Kabine gekommen, weil die meisten Seeleute viel zu viel Angst gehabt hatten …
»Nein«, sagte Temeraire. »Nein, Laurence, ich sehe ihn nicht.«
Laurence erwiderte nichts. Als Temeraire einen Blick zurückwarf, sah er, dass das Gesicht seines Kapitäns unbewegt und grimmig war, während seine Augen auf das qualmende Wrack in der Ferne starrten. Laurence nickte nur und wandte sich an Mrs Pemberton: »Ma’am, möchten Sie vielleicht lieber in eines dieser Boote?« Sie war zusammen mit Mr Hammond aus einer der Bugkabinen gerettet worden. Die beiden hatten ein Fenster eingetreten und mit Mrs Pembertons überzähligem Unterrock gewinkt, um Aufmerksamkeit zu erregen, bis sie schließlich mithilfe einer langen Leine herausgeholt worden waren. »Wir könnten Sie hinunterlassen und stattdessen einen oder zwei Männer an Bord holen, wenn es dort unten sonst zu voll werden sollte.«
»Vielen Dank, Sir, aber ich würde lieber hier auf dem Drachen bleiben«, entgegnete sie.
»Sie müssen sich darüber im Klaren sein«, sagte Laurence, »dass die Drachen höchstens zwei Tage in der Luft bleiben, vielleicht auch drei …«
»So, wie ich die Lage einschätze, gibt es genauso wenig Hoffnung darauf, dass ein Boot in diesen Breiten auf Land stößt«, sagte sie. »Ich finde, wenn es schon zu Ende geht, dann lieber schnell.«
»Natürlich ist es viel besser für Sie, wenn Sie hier bei mir bleiben, anstatt in einem dieser Boote zu sitzen«, sagte Temeraire und schluckte den letzten Bissen eines rohen Hammels hinunter. Immerhin war Lung Shen Li den ganzen langen Weg von China bis zur Küste von Australien geflogen, beinahe ohne unterwegs Pausen einzulegen. Laurence konnte so pessimistisch sein, wie er wollte, aber Temeraire war sich ziemlich sicher, dass er nicht auf erbärmliche Art und Weise versinken würde, ohne auch nur eine Schlacht als Entschuldigung zu haben. Er würde auf keinen Fall aufhören zu fliegen, ehe sie nicht Land gefunden hatten.
»Ich finde immer noch, wir sollten die Allegiance einfach wieder hochziehen«, knurrte Iskierka und umkreiste noch einmal die letzte sichtbare Spitze des Schiffes: All ihre Prisengelder waren im Frachtraum verstaut gewesen, und selbst Granbys Mantel war nun völlig hinüber. Aber auch das munterte Temeraire nicht auf, denn man konnte sich nicht darüber
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