DrachenKind (German Edition)
hatte sterben müssen. Die Wolken zogen lautlos vorbei, unschuldig und weit vom Geschehen unter ihnen entfernt. Sie hatten keine Ahnung, was für ein Glück sie hatten, nicht endgültig zu sein, kein Leben zu führen. Seath schloss die Augen. Es musste doch eine Möglichkeit geben, egal wofür oder welche. Die vier Gesetze. Galten sie nur für das Leben? Sie selbst hatte Eric doch alles erklärt. Warum hatte er an die anderen denken müssen? Warum um alles in dieser verfluchten Welt hatte er nicht einfach an sein eigenes Leben gedacht? Die salzigen Tränen liefen kribbelnd über ihre blassen Wangen. Ihr war schwindelig doch sie zwang sich zu klaren Gedanken. Wie lange konnte es her sein, dass Eric ermordet worden war? Diese Wiesen waren zwar ein Gebiet, in dem viele Spione ihr Unwesen trieben, aber niemand hätte ihre Gedanken lesen können, kein normaler Spion. Und die Entfernung. Sie hatten über drei Stunden bis hierher gebraucht. Und niemand hatte gewusst, wo sie hin wollten. Niemand. Kein Wächter hätte es in der kurzen Zeit geschafft, sie aufzuspüren und ihnen zu folgen. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Sie schloss die Augen. Durchlebte alles noch einmal. Sie unterhielt sich gerade mit Jack, über alles, was sie auf dieser Wiese finden würden. Mia ging einen Schritt vor ihnen, Eric war fast sechs Schritte vor ihnen. Er ging unbeirrbar den Hang hinauf. Plötzlich war Jack neben ihr zusammengesackt, war den Hang heruntergefallen. Sie hatte ihr Schwert gezogen aber fast im selben Moment bekam sie einen Schlag gegen den Hinterkopf. Was mit Mia geschah hatte sie nicht mehr mitbekommen, aber sie hätte doch eigentlich genug Zeit gehabt, die zwei Angriffe zu bemerken und sich zu verteidigen. Und da war dieses Summen. Was war das gewesen? Seaths Magen verkrampfte sich. Sie glaubte nie, dass Mia eine Verräterin sein könnte. Niemals. Aber es sah so aus, als wäre all das vorbereitet gewesen. Die vielen Diener, bewaffnet und niemals zufällig an einem Ort. Jemand musste sie verraten haben, es musste so sein. Aber sie hatte keine Ahnung, wer das gewesen sein konnte. Das Schluchzen von Mia und Jack drang zu ihr herüber, und sie sah sich um. So, wie Eric da lag, sah er fast aus wie jemand, der sich an einem Sommertag zum Schlafen auf den weichen Waldboden gelegt hätte. Wären da nicht die vielen Wunden, die verdrehten Beine. Was hatten diese Biester bloß mit ihm gemacht? Er hatte sich verteidigt, hatte die Diener des Herrschers besiegt, bis auf zwei. Die waren mit Pfeilen erledigt worden. Wer hatte das getan? Sie durchwühlte ihre Gedanken nach allem, was in diesem Moment um sie herum an Hinweisen zu finden war. Die Verzweiflung schüttelte sie. Dann fielen ihr wieder die Lichtverhältnisse auf und sie öffnete sprachlos den Mund. Sie mussten hier gewesen sein, persönlich, alle. Die sechs Großmeister des Herrschers mussten sich genau hier befunden haben. Seath erinnerte sich an damals, als sie das Schwert stehlen sollte. In den Grotten der Mordhani hatte sie mit ansehen müssen, wie die sechs einmal kamen, um nach Fremden zu suchen. Sie töteten eine Bergziege, einfach so, um sich zu amüsieren. Danach war es dunkler geworden, mehrere Stunden lang. Aber wie war das möglich? Die Großmeister verließen nie die Scheinwelt, aus der sie kamen, es machte keinen Sinn, ihre Macht war zu groß für einzelne Morde. Und niemand sollte ihnen unbemerkt folgen können. Aber sie waren hier gewesen, sie hatten Eric ermordet. Sie wollten ihn entführen, hatten ihn vor die Wahl gestellt: Entweder mitkommen oder sterben. Jeder wusste was es bedeuten würde, wenn der Herrscher einen Drachen unter seiner Kontrolle hätte. Keiner zweifelte an der Gefahr, die sich bei einer Entführung eines solchen entwickeln würde. Eric hatte es genauso gewusst, und er hatte es verhindert. Aber nun gab es keinen Weg mehr, endgültig zu siegen, ohne ihn. Ohne ihn hatten sie so gut wie verspielt, niemand konnte nun den Weg in die Welt hinter dem Spiegel freimachen. Seath sank auf den Boden, legte sich flach auf den Bauch und weinte. Es hatte doch gar keinen Sinn mehr, irgendetwas zu tun. Sie konnte nicht glauben, dass ein so mächtiges Geschöpf einfach nicht mehr existierte, geschlagen von ein paar Pfeilen. Aber es war eben geschehen. Da hörte sie ein Geräusch. Wie ein Pochen, ein Klopfen. Es war dumpf, vibrierte leicht. In regelmäßigen Abständen, es schien sich durch den Boden fortzupflanzen und hier bei ihnen anzukommen, von
Weitere Kostenlose Bücher