DrachenKind (German Edition)
Chance, zu entkommen. Nicht wenn er hier bliebe. Er dachte an seinen Traum und machte instinktiv einen Schritt zurück. Also doch. Der Wald war die einzige Möglichkeit. Gegen die Zeit konnte niemand sich wehren. Und erst recht nicht gegen das Schicksal, die Vorsehung, die Bestimmung. Logische Konsequenzen der vier Gesetze. Er ging langsam rückwärts. Der Großmeister, der ganz links ging, hob die Armbrust. Eric sah den Pfeil wieder mit geschlossenen Augen langsam auf sich zu kommen und wich ihm beinahe lässig aus. Die nächsten beiden Pfeile hätten ihm das Augenlicht genommen, so genau waren sie gezielt. Aber sie prallten gegen die Klinge des Schwertes, als er es anhob um sich zu schützen. Hinter sich hörte er den Atem des Waldes, wie er immer lauter wurde und näher kam. Es war doch so leise, dass niemand es hören konnte. Er ging weiter, ließ seine langsamen Verfolger nicht aus den Augen.
Plötzlich fand er sich auf der Lichtung wieder. Sie hatten ihn eingekreist. Fast eine Viertelstunde lang hatte er sich von ihnen treiben lassen, jetzt saß er in der Falle wie eine Fliege in einem umgestülpten Glas. Er stand einfach regungslos da. Völlige Leere breitete sich in ihm aus. Er fühlte sich hilflos. Er hatte Angst vor den Schmerzen die ihn jetzt erwarteten. Wahrscheinlich noch viel realer als im Traum. Es gibt immer einen Ausweg. Die Worte klangen in ihm wie ein Gong, der dann in einen Fluss geworfen wurde. Es ist die Bestimmung allen Lebens zu enden. Du musst nur genug Kraft aufbringen, den Ausweg zu gehen. Der einzige Ausweg, den er im Moment sah, war die simple Wahrheit: Er würde sterben, gleich jetzt und auf der Lichtung.
Er sackte zusammen, gab aber keinen Ton von sich. Die Schmerzen waren wie ein Gift, das sich langsam und unaufhaltsam in ihm verbreite. Er spürte und sah das Loch in seinem Bein, fühlte wie das Gelenk knirschend unter seinem Gewicht auseinander riss. Er schloss die Augen. Der Schweiß auf seiner Stirn wurde kalt. Eric sah auf den Boden. Ein stetig größer werdender, weinroter Fleck breitete sich an seinem Fuß aus. Zwei weitere Schüsse in seine linke Kniescheibe. Der Schmerz brach über ihn herein wie ein mächtiges, unaufhaltsames Unwetter. Das nächste Geschoss bohrte sich in seinen linken Oberarm. Er wälzte sich keuchend auf den Rücken. Die Blätter waren spröde und vertrocknet, aber in seinen Händen fühlten sie sich an wie Watte. Er nahm alles, was er an Kräften noch aufbringen konnte zusammen, stützte sich kurz auf die rechte Hand und drückte sich vom Boden hoch, hockte auf dem Boden, auf den zerstörten Knien. Sein Hirn war so überreizt, dass das Schmerzempfinden allmählich nachließ. Er nahm es nur durch einen Schleier wahr, dass die Gestalt direkt vor ihm ihre Waffe auf seine Brust richtete. Er sah ihr ins Gesicht, konnte aber nichts erkennen. Dann durchbohrte ihn ein Pfeil, er schoss direkt durch das Herz. Seine Wucht gab ihm einen heftigen Ruck. Zwei weitere Pfeile durchbohrten seine Lungen. Das Blut quoll warm aus den Wunden, aus seinen Knien, aus dem Arm, aus dem Mund, aber er spürte es nicht. Er konnte nur sehen, dass der Waldboden immer näher kam. Die Schmerzen waren für einen kurzen Moment überwältigend, dann wurde alles blau um ihn herum.
Kapitel 21
Ein Schatten drang in ihr Bewusstsein. Kurz und unerwartet. Langsam begann sich die anhaltende Taubheit in den Gliedern in ihre Gedanken zu pflanzen. Sie bemerkte die starken Rückenschmerzen. Die Augen schmerzten. Sie versuchte zu blinzeln, aber nichts regte sich. Einen Moment lang tat sie gar nichts, lag einfach nur da und versuchte sich an das was geschehen war zu erinnern. Und ganz allmählich sah sie den Berghang, die Kräuterwiesen vor sich, wie sie sich nach oben mühte, als plötzlich ein Schlag auf den Hinterkopf sie betäubte. Ihre Lebensgeister kehrten träge zurück, als sie an die anderen beiden dachte. Seath und Jack. Noch ein paar Schatten flogen über sie hinweg, doch durch die geschlossenen Augenlider konnte sie keine Formen erkennen. Sie konzentrierte sich auf ihren Körper, analysierte jeden Knochen und jedes Organ, jedes Gefühl und jeden Gedanken. Nichts von all dem schien verletzt zu sein. Sie nahm ihren Willen zusammen und öffnete die Augen. Direkt über ihr kreisten Vögel, lauernd und ungeduldig. Mia kramte in dem kleinen Beutel, den sie an den Gürtel gebunden hatte und zog eines ihrer Bonbons hervor. Kaum dass sie es im Mund hatte, durchfluteten ein übermäßig scharfer
Weitere Kostenlose Bücher