Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
Risse und Spalten furchten den Planetenboden, Vulkane erwachten zu tödlichem Leben und spien Asche und Lava, überall quoll Magma aus dem bebenden Talkessel. Die von den Menschen errichteten Bauten waren zerfetzt worden, zerquetscht, auseinandergerissen. All das wäre zu ertragen gewesen, hätten nicht überall diese schwarzen, kokonähnlichen Hüllen herumgelegen, die sie erst später als verkohlte Leichen erkannten…
Aber noch schlimmer als diese bis zur Unkenntlichkeit ausgeglühten Mumien waren die Leichen derer anzusehen, die es geschafft hatten, sich in ein gepanzertes Fahrzeug oder einen schweren Hitzeschutzskaphander zu flüchten.
In einem schon erkaltenden Lavastrom entdeckten sie merkwürdige Blasen, und schließlich fand jemand heraus, daß es sich um Cataphracthelme handelte, die bis zum Visier im Magma steckten. Neun dieser schweren Keramitpanzer waren es, und in einem bewegte sich noch etwas in dem schmalen Schlitz zwischen Visierkante und erstarrter Lava. Nur Ireas Flakke hatte es gesehen: Es waren weit aufgerissene Augen, in denen deutlich die Freude über die nahe Rettung leuchtete.
Der Psychologe erklärte ihm später, es sei sein eigener Schatten gewesen, der diese Täuschung hervorgerufen habe. Wie sollten sich die Augen einer Frau bewegt haben, deren Sauerstofftank seit Stunden leer war…
Obwohl keine Aussicht bestand, daß noch einer der neun am Leben war, wurden die Verunglückten aus ihrem steinernen Sarg herausgeholt, Flakke hatte darauf bestanden. Die Frau war nicht Irina Skamander. Irina fand man später unter einer eingestürzten Plantagenkuppel. Obgleich sie für ihn unerreichbar gewesen war, nicht mal seinen Namen kannte und ihrem Mann vielleicht lächelnd von dem schüchternen Kadetten erzählte, der ihr unbeholfen den Hof machte – Ireas war es damals, als sei ihm ein Stück seines Lebens genommen worden. Dem Sohn der Skamanders hat er nie davon erzählt. Wozu auch, sie reden beide nicht gern über diese Vergangenheit, die für sie wie eine Gruft ist.
“Danke, meine Herren…” Flakke setzt sich wieder und stützt den Kopf in die Hände.
In wenigen Stunden werden sie die Basis Hermes erreichen. Irgendwie werden sie die Kontrolle durch den MOBS überstehen, dieser Besuch ist nicht das schlimmste. Flakke hat sich ergebnislos den Kopf darüber zerbrochen, weshalb sie sich ausgerechnet die Besatzung der Ikaros so gründlich vornehmen. Suchen sie wirklich nur nach einem Grund, nach einer Rechtfertigung für die Auflösung der Mannschaft? Oder steckt mehr dahinter, gibt es Zusammenhänge, die er nicht einmal ahnt? Nein, nein – er schiebt den letzten Gedanken mürrisch beiseite –, sie wollen endlich Schluß machen mit der Ikaros. Wozu haben sie sonst zusätzlich noch einen Beauftragten der Kaderabteilung angekündigt? Wohl weil sie es als taktlos empfinden, solche Dinge über Funk zu verkünden. Da muß einer von diesen Papierkriegern eben mal sein Gesäß aus dem Sessel heben und sich auf die Reise begeben. Womöglich ist es für den Kerl noch ein kleines Abenteuer, und er freut sich darauf. Der Beauftragte sei mit höchsten Vollmachten ausgestattet, ließ der Admirander verlauten, aber mehr wisse er auch nicht. Na ja, man wird sehen.
Eigentlich sollte es für die jungen Burschen nicht so schwer sein wie für mich, denkt Flakke, aber beinahe glaube ich, sie trifft es noch stärker! Woran mag das liegen? Sie können doch von vorn anfangen, sind jung genug für ein zweites Leben. Für mich ist alles aus, mir hängen sie irgendein Stück Blech um den Hals und machen mich zum Chef irgendeiner Kontrollabteilung in einem Bereich, wo es nichts zu kontrollieren gibt. Und jeden Abend wird ihm sein, als stiege er in einen muffigen Sarg, wenn er zu Bett geht…
“Quadrangel für Flakke!” Die Stimme des Arztes reißt ihn aus seinen Gedanken. Noch bevor der Bordarzt weiterredet, spürt Ireas Flakke bereits neues Unheil heraufziehen. Er betätigt die Rufanlage und fordert Quadrangel auf zu sprechen.
“Glauben Sie an Geister, Flakke?” Der Arzt lacht meckernd auf, fast will es scheinen, als hätte er sich kaum noch in der Gewalt.
“Was soll der Quatsch, Doktor?”
Plötzlich wird Quadrangel ganz ruhig. Er schluckt mehrmals, und Flakke kann hören, wie er mit seinen Geräten hantiert. Es klirrt leise und raschelt, dann tropft etwas aus einem Fläschchen. Der Arzt stöhnt kurz auf, dann sagt er tonlos: “Ich glaube jetzt an Geister, Flakke, und wenn Sie sich welche ansehen wollen,
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