Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
freundlich und wühlt sich wieder zurück an seinen Platz. Erst freut sich Klugwarm, dann kommen kalte Fragen aus seiner Kaltkraft. Ich habe etwas gesagt, was nicht ist, denkt er bestürzt, und Roch denkt, es ist. Wie geht das? Wie kann sein, was wirklich nicht ist? Wenn Roch geht, dann ist es doch so, wie ich es gesagt habe! Erschrocken tastet er um sich. Aber wozu – der warme Körper neben ihm, das ist doch Schisch!
Ich habe Worte gesagt, für die es keine Dinge gibt, denkt Klugwarm. Hätte ich die Worte gesagt, für die es Dinge gibt, wäre Roch nicht gegangen. Aber weil ich gesagt habe, Schisch ist nicht hier, ist es auch so, als ob Schisch nicht hier wäre…
Worte sind eine große Kraft! Klugwarm spürt Kälte in sich aufsteigen. Gibt es eine größere Kraft als Worte? Worte schaffen Dinge! Haben Worte auch mich geschaffen?
Eine große Unruhe befällt Klugwarm. Er streicht Schisch noch einmal, wie entschuldigend, über den Rücken, dann kriecht er eilig aus der Glumpe.
Sofort stürzt er in eisige Kälte. Der Atem gefriert vor seinem Mund, und die Kälte beißt so in seinen Körper, wie er seine Zähne in Eßbares schlägt.
Aber Klugwarm muß die Glumpe für das, was er vorhat, verlassen. Er kann nicht sagen, warum. Es ist einfach so, daß er allein sein muß, daß die Glumpe ihn stört. Hastig springt er hinaus in die Welt, bis dahin, wo ihre Wände aneinanderrücken, wo sie ganz eng wird. Dort setzt er sich und verschnauft. Hier kann er die Kraft der Worte ungehindert prüfen.
Dann trommelt er auf den Boden: “Kaltkalt!” Seine Finger schreiben das Wort ganz deutlich in die Stille. Und plötzlich meint Klugwarm, daß da vor ihm wirklich etwas aus dem Nichts taucht, das wie die zu Eis gefrorene Nahrung aussieht. Aber als er es fassen will, greift seine Hand ins Leere. Er versucht es noch einmal, ein drittes Mal, ein viertes…
Meine Worte sind zu schwach, denkt er betrübt. Aber gerade will er sich erheben, da blitzt ein neuer Gedanke durch seine Kaltkraft. Wenn es nur die falschen Worte sind?
Klugwarm faßt neuen Mut. “Warmkalt!” trommeln seine Finger auf den Boden der Welt. Und um sicherzugehen, sagt er das Wort auch mit dem Mund, so wie er es zu Schisch sagen würde. Wiederum geschieht nichts.
Aber mit Roch ging es doch! Da haben seine Worte Dinge geschaffen! Klugwarm ächzt zornig. Die Worte sind kalt, kalt, kalt! Sie wollen nicht, was er will! Klugwarm schlägt die Worte mit der Faust in die Welt, er stößt sie mit aller Kraft seines Mundes von sich, und auch mit dem Warmtasten schleudert er den Befehl hinaus: Warmkalt!
Als er sich seiner Niederlage allmählich bewußt wird, versinkt er in tiefe Traurigkeit.
“Schisch!” stöhnt er entmutigt. “Schisch…, warum geht es nicht…? Schisch, wo bist du…? Schisch…”
Unbewußt trommeln seine Finger ihren Namen; ohne es zu wollen, ruft er nach ihr; ohne es zu wissen, sucht sein Warmtasten nach der Gefährtin. Aber die Glumpe ist fern, viele, viele Schritte sind es bis zur Glumpe.
Klugwarm hört nicht das rasende Trippeln der Arm- und Beinstummel, er sieht auch nicht, wie ein schlanker Körper mit spitzem, kegelförmigem Kopf schlangengleich auf ihn zugleitet. Sein Ärger über die Unbezwingbarkeit der Worte und Dinge nimmt ihn restlos in Anspruch. So erschrickt er erst, als sich Schisch zärtlich an ihn schmiegt, und als sie verstört fragt: “Warum bist du so kalt, was hat dir die Wärme genommen?”, da besinnt er sich und preßt sie an sich. Und da erst begreift er. Schisch ist da!
Er hat ihren Namen gesprochen, er hat das Wort gesagt! Das Wort hat geschaffen, daß Schisch da ist. Das Wort hat Schisch geschaffen! Das Wort hat ein Ding geschaffen! Er hat das Wort gesprochen, er, Klugwarm. Also hat er das Ding geschaffen! Mit einem Wort hat er ein Ding geschaffen!
Klugwarm stößt einen jubelnden Schrei aus. Als Schisch sich darauf ängstlich zusammenkrümmt, nimmt er ihren spitzen Kopf und preßt ihn gegen seine Brust. Ihr aufgeblähter Leib drückt auf seinen Bauch, und Klugwarm spürt auf einmal ein unverständliches Tasten auf seiner Bauchdecke. Das Tasten kommt aus Schischs Leib, es ist schwach und doch energisch.
Seltsame Laute kommen aus Schischs Mund, sie beginnt zu zucken und so zu röcheln wie Roch. Furcht ergreift Klugwarm. Er kennt diese Laute, sie sind Vorboten der Kälte! Wenn ein Glump in die Kälte geht, gibt er diese Zeichen.
Schisch entwindet sich seinem Griff und bäumt sich auf. Ein gräßlicher Schrei
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