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Drachenläufer

Drachenläufer

Titel: Drachenläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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hatten.
    »Wenn man vom Shar-e-Nau-Viertel ins Kerteh-Parwan-Viertel gehen wollte, um einen Teppich zu kaufen, riskierte man, von einem Heckenschützen erschossen oder von einer Rakete getroffen zu werden - wenn man es überhaupt schaffte, an all den Kontrollpunkten vorbeizukommen. Man brauchte praktisch ein Visum, um von einem Viertel in das andere zu gelangen. Also blieben die Leute, wo sie waren, und beteten, dass die nächste Rakete nicht ihr Haus treffen möge.« Er erzählte mir, wie die Menschen Löcher in die Wände ihrer Häuser schlugen, damit sie die gefährlichen Straßen umgehen und einen Häuserblock weit gelangen konnten, indem sie sich von Loch zu Loch bewegten. In anderen Stadtteilen gelangten sie durch unterirdische Tunnel vorwärts.
    »Warum bist du denn nicht weggegangen?«, fragte ich.
    »Kabul war für mich die Heimat. Ist es immer noch.« Er kicherte. »Erinnerst du dich noch an die Straße, die von eurem Haus zur Qishla, der Militärkaserne neben der Istiqlal Schule, verlief?«
    »Ja.« Das war unsere Abkürzung zur Schule gewesen. Ich erinnerte mich noch an den Tag, als Hassan und ich sie genommen und die Soldaten Hassan wegen seiner Mutter aufzogen hatten. Hassan hatte später im Kino geweint, und ich hatte den Arm um ihn gelegt.
    »Als die Taliban hereinrollten und die Allianz aus Kabul hinauswarfen, habe ich tatsächlich auf dieser Straße getanzt«, sagte Rahim Khan. »Und ich war nicht allein, das kannst du mir glauben. Die Leute feierten in Chaman, in Deh-Mazang, sie begrüßten die Taliban auf den Straßen, kletterten auf ihre Panzer und posierten mit ihnen vor den Kameras. Die Menschen waren die andauernden Kämpfe, die Raketen, das Geschützfeuer, die Explosionen so leid, und sie waren es auch leid, zusehen zu müssen, wie Gulbuddin und seine Kohorten auf alles schössen, was sich bewegte. Die Allianz hat Kabul mehr geschadet als die Shorawi. Sie haben auch das Waisenhaus deines Vaters zerstört, wusstest du das eigentlich?«
    »Aber warum denn nur?«, fragte ich. »Warum zerstört jemand ein Waisenhaus?« Ich konnte mich noch daran erinnern, wie ich am Tag der Eröffnung hinter Baba gesessen hatte. Wie ihm der Wind den Hut aus Karakulfell vom Kopf geweht hatte und die Leute in Lachen ausgebrochen waren und wie sie, nachdem er seine Rede beendet hatte, aufgestanden waren und Beifall geklatscht hatten. Und jetzt war es nur noch ein Schutthaufen unter vielen. All das Geld, das Baba darauf verwandt hatte, all die Nächte, in denen er über den Plänen geschwitzt hatte, all die Besuche auf der Baustelle, um sicherzustellen, dass jeder Stein, jeder Balken, jeder Block genau richtig platziert wurde ...
    »Fehltreffer«, sagte Rahim Khan. »Wenn du wüsstest, Amir jan, wie es war, in den Trümmern dieses Waisenhauses zu suchen. Da lagen Leichenteile von Kindern ...«
    »Und als dann die Taliban kamen ...«
    »Waren sie Helden«, sagte Rahim Khan.
    »Endlich Frieden.«
    »Ja, die Hoffnung stirbt ja nie, nicht wahr? Endlich Frieden. Aber zu welchem Preis?« Rahim Khan bekam einen schrecklichen Hustenanfall, der seinen abgezehrten Körper schüttelte. Als er in sein Taschentuch spuckte, zeigten sich darin rote Flecken. Ich fand, dass nun der Moment gekommen war, die Frage zu stellen, die ich so lange vermieden hatte.
    »Wie geht es dir?«, fragte ich. »Aber bitte gib mir eine ehrliche Antwort.«
    »Ich sterbe«, erwiderte er mit einer gurgelnden Stimme. Ein weiterer Hustenanfall. Noch mehr Blut im Taschentuch. Er wischte sich den Mund ab, betupfte sich mit dem Ärmel die Stirn von einer eingesunkenen Schläfe zur anderen und warf mir einen Blick zu. Als er nickte, wusste ich, dass er die Frage in meinen Augen gelesen hatte. »Nicht mehr lange«, keuchte er.
    »Wie lange?«
    Er zuckte mit den Schultern. Hustete wieder. »Ich glaube nicht, dass ich das Ende dieses Sommers noch erleben werde«, sagte er.
    »Komm mit mir nach Hause. Ich kann dir einen guten Arzt besorgen. Sie entdecken ständig neue Behandlungsmöglichkeiten. Es gibt neue Medikamente und experimentelle Therapien, ich könnte dafür sorgen, dass man dich aufnimmt...« Ich war mir bewusst, dass ich schwafelte. Aber es war besser, als zu weinen, was ich gewiss ohnehin tun würde.
    Er lachte mich aus, und ich konnte sehen, dass ihm die unteren Schneidezähne ausgefallen waren. Noch nie hatte ich jemanden so erschöpft lachen sehen. »Wie ich sehe, hat dich Amerika mit seinem Optimismus, der es so groß gemacht hat, angesteckt. Das

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