Drachenlanze - Der Bund der ...
Mantillas
Kopf hoch. Mit magerem Finger schrieb sie ein Muster in die
Luft. Die vier Wachen begannen, sich so geschickt und
behende zu bewegen, daß Kit verblüfft war. Das einzige
Geräusch, das sie verursachten, war das Klirren ihrer Waffen.
Sie kamen nicht auf sie zu, sondern schritten wie in einem
Tanz zu den Wänden, wo sie an vier gleich weit voneinander
entfernten Punkten um den Raum herum Stellung bezogen. Kit
stellte zu ihrem Unbehagen fest, daß sie im Zentrum dieser
Anordnung stand.
Indem sie ihr Messer und ihr Schwert kampfbereit vor sich
hielt, bemühte Kit sich nach Kräften, möglichst bedrohlich zu
erscheinen.
Lady Mantillas Gesicht strahlte. Ihr Lächeln entblößte ihre
fauligen gelben Zähne. »Meine Eiserne Garde macht dir
angst«, sagte sie fast augenzwinkernd. »Die sind lebendiger als
mein Zauberer. Gut, nur halblebendig oder eher halbtot, aber so
gefallen sie mir besser. Es sind nur noch vier übrig, zu schade.
Ich glaube, mit den übrigen war ich ein bißchen voreilig. Aber
das wichtigste ist«
– sie schnalzte mit der Zunge und legte
einen Finger an den Kopf – »das wichtigste ist, daß sie so
geschaffen sind, daß sie alles für mich tun würden, selbst
sterben. Darin sind sie unübertroffen treu, im Sterben, meine
ich. Soll ich es vorführen? Zierold!«
Einer der Männer trat mit quietschender Rüstung einen
Schritt vor. Kit war auf einen Zweikampf gefaßt, doch Lady
Mantilla zirpte: »Spring doch bitte für mich aus dem Fenster,
ja, Zierold?«
Der schwer bewaffnete Zierold marschierte zu einem der
samtverhangenen Fenster. Tänzerisch leicht schwang er sich
auf den Sims, drehte sich um, um vor der Lady zu salutieren,
und warf sich dann ohne Zögern hinaus. Es gab eine lange
Stille, dann einen dumpfen Aufprall. Lady Mantilla quietschte
regelrecht vor Vergnügen.
Gut, dachte Kit, einer weniger. Sie stellte sich etwas anders
hin und hatte keine der verbliebenen Wachen genau im
Rücken.
»Ja«, fuhr die Lady fort, »es war leicht, Radisson und ElNavar zu ergreifen, aber etwas schwieriger, diesen schlauen
Ursa zu finden. Anscheinend tauchte er immer wieder unter. Er
trennte sich eine Zeitlang von Schlaukopf. Wir folgten
Schlaukopf, doch auch dem gelang es, uns abzuschütteln. Sie
verkleideten sich, schliefen im Freien, reisten Hunderte von
Meilen außerhalb meiner Reichweite.
Über Ursa fand ich alles Erfahrbare heraus. Überall hatte ich
Spione und Kontaktleute. An keinem Ort war er zweimal, und
immer war er uns einen Schritt voraus. Aber am Ende wußte
ich mehr über ihn und seine Gewohnheiten als seine eigene
Mutter, und ich wußte, daß ich ihn irgendwann erwischen
würde.«
Jetzt wurde ihre Stimme samten wie die Vorhänge.
»Herauszufinden, wer du warst, war schwieriger, als Ursa zu
finden, meine Liebe«, gurrte die Lady. »Radisson kam nicht
mehr dazu, es mir zu sagen, und El-Navar spricht als Panther
nicht allzugut. Von den Augenzeugen wußte ich, daß fünf
Leute dabei waren, aber ich hatte nie in Betracht gezogen, daß
einer von ihnen eine Frau gewesen sein könnte. Bis dann rein
zufällig einer meiner Detektive auf einem Schiff mitfuhr, wo er
das Schwert meines Liebsten sah. Aber selbst da glaubten wir
noch, es wäre dieser Patrick. Der hat natürlich behauptet, er
wüßte von nichts. Aber er mußte trotzdem sterben. Um ganz
sicherzugehen.«
Während die Lady mit ihrer Geschichte beschäftigt war, war
Kitiara näher gerückt, bis sie nur noch weniger als ein Dutzend
Schritt von ihr entfernt war. Mit dem nächsten Schritt betrat
Kit den blassen Lichtkegel, der Luz umgab, so daß die
verhärmte Frau sie zum ersten Mal deutlich sehen konnte. Und
dabei keuchte Lady Mantilla auf.
Sie sank vor Entsetzen in sich zusammen. Diese Reaktion
überraschte Kit dermaßen, daß sie erstarrte und dann einen
Schritt nach hinten zurück in die Schatten machte. Da erst kam
Kit darauf, daß sie mit ihren kurzen Haaren und im
Kampfanzug für die verwirrte Lady immer noch Beck
Gwatmey ähnelte.
Kitiara trat wieder ins Licht. Becks Schwert glitzerte.
»Also du bist es?« flüsterte die Frau. »Du bist es! Du hast
das Schwert.«
Hinter sich konnte Kitiara das Klirren der Eisernen Garde
hören, die sich in Marsch setzte. Sie kam noch einen Schritt
näher.
»Das Schwert, das ich meinem Liebsten schenkte…« Die
Lady stöhnte kläglich. »Sein Verlobungsgeschenk. Er hatte es
bei sich, als man ihn…meuchelte.«
»Damit hatte ich nichts zu tun«, sagte Kit wahrheitsgemäß.
Der
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