Drachenmagier
ist Grundel.
Diesmal
ging es schon viel leichter. Mein Vater ist Yngvar Schönbart,
König 7 der Gargan; meine Mutter heißt
Hilda. In ihrer Jugend galt sie als die schönste Frau des
ganzen Meermondes.
Man hat Lieder über meine Schönheit
gedichtet, aber ich habe das
Portrait gesehen, das sie am Tag ihrer Hochzeit zeigt; ich bin
unscheinbar,
verglichen mit ihr. Ihre Backenlocken reichten fast bis zur Taille und
hatten
jenen Honigton, der in unserem Volk rar ist und sehr bewundert wird.
Mein Vater erzählte oft, daß, als meine
Mutter auf den
Platz des Wettstreits hinaustrat, die anderen Teilnehmer nur
einen Blick auf
sie warfen und ihr kampflos das Feld überließen.
Meine Mutter war darüber
zutiefst empört, hatte sie doch lange mit der Axt
trainiert und traf mit fünf
von sechs Würfen ins Ziel. Wäre ich in Gargan
geblieben, würde man bald auch
für mich den Brautwettstreit abgehalten haben, denn
ich nähere mich dem Ende
der Zeit des Suchens.
Der Klecks ist eine
Träne. Jetzt darf ich Alake dieses Heft auf keinen Fall
zeigen. Ich habe nicht
etwa meinetwegen geweint. Nein, sondern wegen Hartmut. Er
liebt mich sehr. Und
ich liebe ihn. Aber ich darf nicht an ihn denken, oder meine
Tränen spülen die
Tinte vom Papier.
Die Person, die meine
Aufzeichnungen findet, wird vermutlich erstaunt sein, daß sie
von einem Zwerg
stammen. Wir haben nicht viel Sinn für solche Dinge wie Lesen
und Schreiben und
Schöngeisterei. Vom Schreiben wird das Gedächtnis
träge, heißt es bei meinen
Landsleuten. Jeder von uns hat die vollständige Geschichte
Gargans im Kopf und
dazu die gesamte Historie der eigenen Familie.
Tatsächlich haben wir Zwerge
keine eigene Schriftsprache, weshalb ich das hier in der
Menschensprache
schreibe.
Auch unsere
Buchführung funktioniert ohne Stift und Papier – ein
Wunder in den Augen der
Menschen- und Elfenkaufleute. Ich kenne keinen Zwerg, der nicht bis auf
den
letzten Heller sagen konnte, wieviel Geld er oder sie bisher gemacht
hatte. Manche
alten Graubärte finden gar kein Ende!
Auch ich würde niemals
Lesen und Schreiben gelernt haben, wäre mir nicht bestimmt
gewesen, Herrscherin
meines Volkes zu sein. Weil ich aus diesem Grund viel mit Elfen und
Menschen zu
tun haben würde, beschlossen mein Vater und meine
Mutter, daß ich bei ihnen
aufwachsen und ihre Sitten und Gebräuche lernen
sollte. Und sie wollten, daß
ich die Elfen und Menschen mit unseren Sitten und Gebräuchen
vertraut machen
sollte.
Als kleines Mädchen
wurde ich zusammen mit Alake, der Tochter des Häuptlings von
Phondra, nach
Elmas geschickt, dem Elfen-Meermond 8 .
Alake ist geistig ungefähr in meinem Alter,
wenn auch nicht nach Zyklen. (Das Leben der Menschen ist so
erbarmungswürdig
kurz, daß sie gezwungen sind, schnell
heranzuwachsen.) Die dritte im Bunde war
Sabia, die Elfenprinzessin.
Wunderschöne,
liebenswerte Sabia. Ich werde sie nie mehr wiedersehen. Aber dem Einen
sei
Dank, daß ihr dieses grausame Schicksal erspart geblieben
ist.
Wir drei Mädchen waren
viele Jahre lang unzertrennlich, heckten gemeinsam Streiche
aus und lernten,
uns zu lieben wie Schwestern. Genau genommen waren wir uns
näher als die
meisten Schwestern, die ich kenne, denn es gab niemals irgendwelche
Rivalitäten
oder Eifersüchteleien zwischen uns.
Unsere einzigen
Unstimmigkeiten rührten daher, daß wir lernen
mußten, die Eigenarten des
anderen zu akzeptieren. Es war ein weiser Entschluß
unserer Eltern gewesen,
uns zusammen aufwachsen zu lassen. Zum Beispiel hatte ich für
Menschen nicht
besonders viel übrig gehabt. Sie reden zu laut und zu schnell,
sind zu
aggressiv und springen von einem Thema zum anderen. Sie
scheinen nie
stillzusitzen oder sich Zeit zu nehmen nachzudenken.
Nachdem ich sie besser
kennengelernt hatte, begriff ich, daß ihre Ungeduld, ihr
Ehrgeiz und ihre
Manie, alles schnell zu erledigen, nur der Versuch ist, ihrer
Sterblichkeit
davonzulaufen.
Im Gegensatz dazu
lernte ich, daß die langlebigen Elfen nicht die
faulen Träumer sind, als die
sie von den meisten Zwergen angesehen werden, sondern es sich leisten
können,
das Leben mit Muße anzugehen und keinen Gedanken an das
Morgen zu verschwenden,
in der Gewißheit, daß immer wieder ein neues Morgen
kommt und für sie die
Grenzen der Zukunft in weiter Ferne liegen.
Alake und Sabia
ihrerseits mußten sich mit meiner krassen Ehrlichkeit
abfinden, ein
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