Drachenmagier
Wand: Die
Geschichte der
Sartan. Und darunter, weniger umfangreich, aber mit
zahlreichen
Unterkategorien:
Die Geschichte der Patryn.
Alfred wurden die Knie
weich, und er mußte sich setzen. Zu seinem
Glück stand ein Stuhl gleich hinter
ihm, oder er wäre auf den Boden gesunken. Jeder Gedanke, das
Gebäude zu
verlassen, war wie ausgelöscht. Welcher Reichtum!
Welche Fülle! Welch ein
Schatz! Die Geschichte einer Welt, deren er sich nur in
Träumen erinnerte;
einer Welt, die gewaltsam auseinandergerissen worden war. Die
Geschichte
seines Volkes; des Todfeindes; eine Chronologie der Ereignisse, die zur
Großen
Teilung geführt hatten, Protokolle, Debatten,
Abstimmungen…
»Ich könnte Tage hier
verbringen«, sagte Alfred vor sich hin, benommen und
glücklich – glücklicher,
als er seit langem gewesen war. »Tage! Jahre!«
Er hatte das Gefühl,
etwas tun zu müssen, um seiner Ehrfurcht vor jenen Ausdruck zu
verleihen, die
diesen Schatz bewahrt hatten, womöglich unter großen
persönlichen Opfern, um
zu retten, was für spätere Generationen von
unschätzbarem Wert sein konnte.
Sehr zur Belustigung seines vierbeinigen Publikums stand er auf und
vollführte
die ersten Schritte eines feierlichen Tanzes, doch eine
barsche, ungehaltene
Stimme ließ seine Euphorie schlagartig verpuffen.
»Hab’ ich’s mir
gedacht! Was tust du hier?«
Der Hund sprang auf,
sträubte das Nackenfell und kläffte wütend
ins Leere.
Alfred, dem vor
Schreck fast das Herz stehengeblieben war, griff haltsuchend
nach einem Tisch
und schaute sich mit aufgerissenen Augen nach allen Seiten um.
»Wer – wer ist da?«
keuchte er.
Zwei Gestalten
materialisierten sich vor ihm.
»Samah!« Alfred stieß
eine Seufzer der Erleichterung aus und fiel auf einen Stuhl.
»Ramu!« Mit einem
orangefarbenen Seidentuch, das er aus einer Tasche seines
Rocks zog, wischte
er sich über die Stirnglatze.
Der Archont und sein
Sohn musterten ihn grimmig.
»Ich wiederhole – was
tust du hier?«
Alfred blickte zu
ihnen auf und begann an allen Gliedern zu zittern. Der kalte
Schweiß brach ihm
aus. Man konnte deutlich sehen, daß Samah außer
sich war.
»Ich – ich habe nach
dem Ausgang gesucht«, erklärte Alfred
verschüchtert.
»Ja, das kann ich mir
vorstellen.« Der Tonfall des Archonten triefte vor
Sarkasmus. Alfred hätte
sich am liebsten verkrochen. »Und was hast du noch
gesucht?«
»N-nichts… Ich…«
»So? Weshalb sonst
geht man in eine Bibliothek? Und bring das Vieh zum
Schweigen!«
Alfred streckte eine
zitternde Hand aus, packte den Hund am Nackenfell und zog ihn zu sich
heran.
»Schon gut, alter Junge«, sagte er leise, auch wenn
er sich fragte, weshalb der
Hund ihm glauben sollte, wenn er selbst es nicht tat.
Der Hund beruhigte
sich tatsächlich, das Gebell wurde zu einem Grollen tief in
der Brust. Doch er
ließ Samah nicht aus den Augen, und gelegentlich, wenn er
sich unbeobachtet
glaubte, zog er die Oberlippe hoch und entblößte
tadellose weiße und scharfe
Zähne.
»Aus welchem Grund
bist du hergekommen? Wonach hast du gesucht?« verlangte Samah
erneut zu wissen.
Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und brachte beide zum
Erbeben –
den Tisch und Alfred.
»Ein Zufall! Es war
ein Zufall! Das heißt«, verbesserte sich Alfred
unter Samahs funkelndem Blick,
»ich bin schon absichtlich zu diesem Haus gegangen. Es war
heiß – und der
Schatten – ich meine, ich wußte nicht,
daß es eine Bibliothek war – ich wußte
auch nicht, daß es verboten ist, sie zu
betreten…«
»Es steht in großen
Runen am Portal, zumindest war es so, als ich das letzte Mal
nachgesehen habe.
Sind sie inzwischen verschwunden?«
»N-nein«, gestand
Alfred nach einem lauten Räuspern. »Ich
habe die Runen gesehen. Ich wollte
auch nur einen kurzen Blick riskieren. Neugier. Eine
beklagenswerte Schwäche
von mir. Aber – nun ja, ich bin gestolpert und
hingefallen. Dann kam der Hund
und… Also, ich weiß nicht genau, aber irgendwie
habe ich wohl mit dem Fuß die
Tür zugestoßen.« Er zuckte hilflos mit den
Schultern.
»Zufällig?«
»O ja,
selbstverständlich! Reiner – reiner
Zufall!« Sein Mund war ausgedörrt. Er
selbst war ausgedörrt. »Ich – ich
wußte nicht, wie ich die Tür wieder öffnen
sollte, und als ich nach einem anderen Ausweg suchte, kam ich
hierher…«
»Es gibt keinen
Ausgang«, unterbrach ihn Samah.
»Nein?« Alfred
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