Drachenreigen (mit Bonus-Story: Schau hin!)
dass ihre Zungenspitze über meine Lippen gestrichen war. Und ich hatte sie fest aufeinander gepresst! Purer Instinkt. Nein, Scheu. Oder Dummheit. Wer wusste schon, ob so eine Gelegenheit je wiederkam.
Aber, ach was, sie lag doch neben mir im Gras, keiner sonst war hier, und sie hatte nichts dagegen, dass meine Hand über ihre Oberschenkel glitt. Diese ganze Nacht war eine einzige große Gelegenheit. Der Gedanke beruhigte mich ein wenig, und vielleicht hörten sogar meine Finger auf zu zittern. Jedenfalls erwähnte sie es nicht mehr.
Ich versuchte, in ihre Augen zu blicken, aber sie schaute schon wieder zum Himmel hinauf. Ich betrachtete ihr Profil, beschienen vom Flackern der Flammenzungen. Ihre dunklen Wimpern und die bildschöne Nase, deren Spitze ein klein wenig nach oben wies, und die Grübchen, die selbst dann zu sehen waren, wenn sie nicht lachte. Ich schaute an ihrem langen Hals hinab bis zu der schmalen Vertiefung oberhalb des Brustbeins. Über dem Kleid trug sie ein Wildlederhemd ihres Vaters. Es war ihr zu groß, und die beiden oberen Knöpfe aus Horn standen offen. Sie hatte kleine Brüste, die sich unter dem weichen Leder abzeichneten, und ich überlegte fieberhaft, wann ich es wohl wagen könnte, sie dort zu berühren, und wie es sich anfühlen würde, diese Knöpfe zu öffnen und, überhaupt, all das andere.
Einmal, beim Schwimmen, hatte ich einen Blick auf eine ihrer Brustwarzen erhaschen können, sie waren klein und sehr hell. Ich hatte sogar noch mehr von ihr gesehen, aber das war ein paar Jahre her, damals waren wir erst elf oder zwölf, und wir waren im Wald gewesen, auf der anderen Seite der Stadt. Sie hatte gesagt, sie müsse mal – das viele Wasser aus der Quelle, ich wisse schon –, und dann hatte sie sich einfach hingehockt, ihr Kleid hochgeschoben, und ich hatte zugesehen, und es hatte ihr nichts ausgemacht. Damals hätte das nichts Besonderes sein müssen, aber das war es eben doch, jedenfalls für mich, und sogar jetzt, mit sechzehn, dachte ich manchmal daran zurück.
„Dein Herz, mein Amethyst“, sagte sie. Ich weiß nicht mehr, wann sie angefangen hatte, mich so zu nennen, aber es lag Jahre zurück.
„Was ist damit?“
„Es schlägt so laut.“
Ich hob die Augenbrauen. „Du kannst mein Herz hören?“
„Sicher.“ Sie schmunzelte. „Und wahrscheinlich die Leute oben auf der Stadtmauer auch, bei all dem Lärm, den es macht.“
Ich versuchte, auf meinen eigenen Herzschlag zu lauschen. „Ehrlich?“ Ich muss ziemlich rot geworden sein, aber sie besaß genug Feingefühl, mich nicht darauf anzusprechen.
Meine Hand lag noch immer auf ihrem Oberschenkel, und nun beschloss ich, alles auf eine Karte zu setzen. Langsam ließ ich meine Finger höher gleiten, dorthin, wo ihre Haut vom Saum des Kleides bedeckt wurde, straff gespannt über einem schattigen, tiefen Winkel. Sie sagte nichts, blickte nur weiter zum Himmel hinauf, zum Schauspiel der kreisenden Drachen und ihren turmhohen, glutgelben Feuerstößen.
Meine Finger passierten den Saum ihres Kleides. Ich zögerte kurz, sah sie wieder an, sah sie lächeln. Sah wieder hinab auf meine Hand, wie sie unter dem Stoff verschwand. Als ich das nächste Mal zu ihr aufblickte, hatte sie ihre Augen geschlossen. Der Feuerschein warf die Schatten ihrer langen Wimpern bis auf ihre Wangen.
Meine Fingerspitzen berührten etwas, ganz sanft. Weiche Haarspitzen. Mein Herzschlag war jetzt so laut, dass ihn selbst die Drachen hören mussten.
„Schon gut“, sagte sie leise, noch immer mit geschlossenen Augen.
Wie war das gemeint? Ich ließ meine Finger, wo sie waren, forschte nicht weiter, zog sie aber auch nicht zurück.
Aus Furcht, sie könnte etwas dagegen sagen, küsste ich sie, diesmal heftiger, aber jetzt öffnete sie die Lippen nicht mehr und ich dachte, verdammt noch mal, wahrscheinlich würde ich noch in dreißig Jahren diesem einen Augenblick von vorhin nachtrauern. Dem Augenblick, dem Kuß, diesem Mädchen.
In diesem Moment war ich sicher, dass ich sie liebte. Wirklich und wahrhaftig liebte.
Natürlich sagte ich das nicht. Sie hätte es doch nur kindisch gefunden und vielleicht darüber gelacht. Ich war ziemlich sicher, dass sie mich nicht liebte. Es wäre anmaßend gewesen, das zu hoffen.
„Du kannst so süß sein, wenn du willst“, sagte sie.
Süß. Na ja.
Ich schob meine Finger eine Winzigkeit weiter. Wieder berührte ich sie dort unten, und alles schien mir warm und pulsierend, als läge mein Herz mit einem Mal in
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