Drachenritter 02 - Der Drachenritter
besser als er dazu geeignet war, die Führung zu übernehmen und die nötigen Entscheidungen zu treffen. Wenn Giles hier gewesen wäre, wäre er ebenfalls vor oder neben ihm geritten – und das mit Fug und Recht, wie Brian soeben ausgeführt hatte. Jim mußte Brian in jeder Beziehung zustimmen. Er verkniff sich jede weitere Erwiderung.
»Alle anderen nehmen die Positionen ein, die wir eingeübt haben«, sagte Brian gerade. »Los, macht schon. Achtet auf mein Signal zum Angriff, aber haltet Euch auch bereit, auf Sir James Befehl hin die Zweige wegzuwerfen. Daß mir das ja keiner vergißt, denn sonst muß er hängen. James, wenn es soweit ist, solltet Ihr am besten schreien. Die Pferdehufe und Rüstungen werden eine Menge Lärm machen. So fasziniert der König und seine Umgebung auch das Schlachtfeld beobachten mögen, zweifle ich dennoch nicht daran, daß sie unsere Annäherung bemerken und sich zu uns umdrehen werden.«
Jim vergewisserte sich, ob auch alle die verabredeten Positionen eingenommen hatten.
»Jetzt!« rief er. »Werft alle Zweige und Blätter weg!«
Sir Brian wandte sich rasch um und schenkte ihm ein breites, grimmiges Lächeln. Dann blickte er wieder nach vorn.
»Reitet los!« brüllte er. »Und haltet Euch dicht beieinander!«
Wie die erste Angriffslinie der Franzosen legten sie zunächst Schrittempo vor, gingen aber viel rascher als diese erst in Trab, dann in leichten und schließlich in vollen Galopp über. Als sie zwischen den Bäumen hervorkamen, ertönte in der Umgebung des Königs ein lauter Schrei. Jim bemerkte, daß sich zu beiden Seiten der Diagonalformation den Franzosen jeweils eine neue Linie von Männern entgegenstreckte, die aufrecht standen und Bogenschäfte in Händen hielten. Eine weitere Pfeilsalve stieg in den blauen Himmel empor.
Einen Moment lang hatten der König und seine Ritter einzig für das Geschehen vor ihnen Augen. Dann hatte offenbar jemand das Hufgetrappel in seinem Rücken bemerkt, denn eine einzelne Stimme übertönte die allgemeine Geräuschkulisse.
»Wir werden angegriffen!«
Wegen der sich im Galopp auf und ab bewegenden Gestalten vor ihm konnte Jim den König und dessen Ritter nicht genau erkennen. Er hatte den Eindruck, es dauere über Gebühr lange, bis sie die Gruppe um den französischen König erreicht hatten. Dann waren sie auf einmal am Ziel.
Jim verfügte über die Erfahrung des Kampfes mit dem Oger, als er dem Körper des Drachen Gorbash innegewohnt hatte; und er hatte die Wucht des Zusammenpralls gespürt, als er mit seinen und Brians Bewaffneten in die Angreifer vor der Burg Smythe hineingeritten war. Doch nichts von alledem hatte ihn auf die unglaubliche Wucht vorbereiten können, mit der schwergepanzerte Männer auf schweren Pferden mit einer Geschwindigkeit von mindestens dreißig Stundenkilometern gegen ebenso schwergepanzerte Männer und Pferde prallten.
Die Wucht des Zusammenpralls verschlug ihm den Atem. Jim wurde buchstäblich gegen die harte Innenseite seiner Rüstung geschleudert. Pferde wurden von den Kräften des Zusammenstoßes auf die Hinterbeine hochgezwungen, wieherten laut und schlugen mit den Vorderbeinen aus. Ein unvorstellbarer Stoß durchlief die Lanze in seiner Hand, und er starrte ungläubig auf das gesplitterte Ende, das ihm geblieben war.
Sie waren tief in die Gruppe der französischen Ritter eingedrungen, doch der Keil hatte sich unter der Wucht des Zusammenpralls aufgelöst. Jim sah sich auf einmal einem gepanzerten Unbekannten gegenüber, dessen Visier und Helm mit schrägen, schwarzen Linien bemalt waren. Jims Schwert – er hatte nicht einmal gemerkt, wie er es gezogen hatte – kreuzte sich in der Luft mit dem des Gegners. Während Jim sein Schwert wieder löste, erinnerte er sich daran, den Schild zu heben, so daß der zweite Hieb des Fremden gegen den Schild klirrte und Jim rückwärts in den Sattel drückte.
Jim erwiderte den Hieb, verfehlte jedoch sein Ziel. Der Ritter mit den schwarzen Linien auf dem Helm war mit dem Gesicht nach vorn aus dem Sattel gestürzt; mitten aus der Rückenplatte des Panzers ragte ein gefiederter Pfeil. Einen Moment lang war Jim ohne Gegner. Als zwei weitere gegnerische Ritter wie von selbst aus dem Sattel kippten, wußte Jim, daß die Pfeile der Bogenschützen ihnen wie von Dafydd versprochen den Weg freimachten. Brian war immer noch vor ihm. Brian ritt vor, und Jim folgte ihm.
Auf einmal war der Platz vor ihnen frei, und sie waren umringt von ihren eigenen Männern.
Jim
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