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Drachenspiele - Roman

Titel: Drachenspiele - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blessing <Deutschland>
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Hose. Sie schloss die Augen, öffnete den Mund. Sie spürte den nassen Stoff am Körper, die dicken Tropfen prasselten so heftig auf ihre Haut, dass sie wie kleine Nadelstiche zwickten, das Wasser rann ihr in Strömen übers Gesicht. Aus dem Haus drang das Klavier zu ihr. Lange, sehr lange schon hatte sie sich nicht mehr so leicht gefühlt.

XXI
    Es sollte ein schöner, ein ganz besonderer Abend werden, und Christine hatte gründlich überlegt, wie sie die Begegnung zwischen ihrer Mutter und Yin-Yin arrangieren sollte. Ein gemeinsames Essen bei ihr zu Hause? Die Vorstellung behagte ihr nicht; es würde eine Normalität voraussetzen, die dieses Treffen nicht besaß. Auf Lamma, mit Paul? Auch nicht, sie fürchtete, seine Anwesenheit könnte ihre Mutter irritieren und ablenken. Sie entschied sich für den Dragon Grill, das beste chinesische Restaurant im ganzen Stadtteil Tseung Kwan O, und reservierte dort eines der Separees, in denen sonst Familienfeiern und Geschäftsessen stattfanden. Großmutter und Enkelin sahen sich zum ersten Mal, sie wollte, dass sich die beiden in Ruhe kennen lernen könnten, dass ihre Gespräche nicht vom Krach der Essenden und Trinkenden übertönt würden, dass sie einen Weg zueinander finden könnten. Sie bestellte im Voraus ein Menü mit den Lieblingsspeisen ihrer Mutter - gedämpften Tofu mit chinesischem Schinken und Winterpilzen, Ente gefüllt mit acht Kostbarkeiten -, sie sollte sich wohl fühlen an diesem Abend. Christine konnte sich nicht vorstellen, wie es in ihr aussehen mochte. Vierzig Jahre hatte sie ihren Sohn tot geglaubt und jetzt erfahren, dass er erst vor kurzem gestorben war und sie zwei erwachsene Enkel hatte. Christine dachte an Josh, ihren Sohn, der jetzt fast so alt war wie Da Long damals. Die Vorstellung, sich morgen von ihm trennen zu müssen und ihn nie wiederzusehen, war nicht zu ertragen.
    Es würde kein leichter Abend werden.
    Drei Frauen, drei Generationen, eine Familie, keine gemeinsame Sprache. Ihre Mutter konnte Kantonesisch mit ihr und Mandarin mit ihrer Enkelin reden, Christine mit Yin-Yin Englisch, was jedoch ihre Mutter kaum verstand. Eine von
ihnen war immer auf die Übersetzungshilfe einer anderen angewiesen.
    Christine hatte tagsüber nicht nach Lamma fahren können und holte Yin-Yin von der Fähre ab. Sie erschrak, als ihre Nichte auf sie zukam. Ihre Haut war blass, das Gesicht schmaler geworden, unter den Augen hingen Schatten. In ihren Ohren steckten Kopfhörer, sie schaute an Christine vorbei, als wäre sie eine Unbekannte.
    Â»Yin-Yin?«
    Sie blieb überrascht stehen, als wäre es ein Zufall, dass sie sich hier begegneten. »Entschuldige, ich habe dich nicht gesehen. Wenn ich Musik höre, bin ich immer abgelenkt.«
    Â»Das macht doch nichts.« Christine konnte den Blick nicht von ihr wenden. Die Spuren der Haft.
    Â»Sehe ich so schlimm aus?«
    Â»Wie kommst du denn darauf?«, fragte Christine unangenehm berührt.
    Â»Du guckst mich so an.«
    Â»Nein, nein, du siehst nur ein wenig müde aus.« Kein guter Anfang.
    Sie nahmen ein Taxi nach Hang Hau. Christine spürte, wie sich ihre Schultern mit jeder Minute mehr verspannten. In einer guten Stunde würde sie Kopfschmerzen bekommen. Während der Fahrt wies sie auf einige Sehenswürdigkeiten hin, zeigte auf den alten Flughafen, erzählte von den vielen Naturschutzgebieten in der Stadt; ihre Nichte hörte zu, machte jedoch einen abwesenden Eindruck.
    Â»Meine Mutter freut sich sehr«, behauptete Christine und hatte das Gefühl, dabei wenig glaubhaft zu klingen.
    Â»Ich mich auch«, antwortete Yin-Yin im gleichen Ton.
    Â»Ich habe eine Schachtel von ihren Lieblingssüßigkeiten besorgt. Kokosnussbonbons und Pralinen von der Insel Hainan.
Die kannst du ihr mitbringen, wenn du möchtest. Darüber würde sie sich freuen.«
    Â»Danke. Aber ich habe für sie einen Bildband über Shanghai.« Es klang nicht so, als wollte sie ihr beides schenken.
    Â»Das, das ist natürlich noch viel schöner«, sagte Christine verlegen. »Dann bekommt sie die Pralinen von mir.«
    Das Restaurant lag im dritten Stock eines Einkaufszentrums, Wu Jie wartete bereits. Sie saß gebeugt auf einem Stuhl, starrte ins Leere. Statt der neuen roten Jacke, die ihr Christine in der vergangenen Woche geschenkt hatte, trug sie eine alte, abgewetzte Weste; eine Spange hatte sich gelöst, die

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