Drachentau
längst einen Antrag gemacht.
»Das habe ich auch überlegt«, antwortete er. »Wenn er uns vernichten wollte, hätte er es schon getan. Schätze haben wir nicht, die er rauben kann. Es kann gut sein, dass er sich ein anderes Dorf sucht. Ich denke nicht, dass er so bald angreift.«
Zustimmendes Nicken ging durch die Bären. Mischa wählte zehn für den Krisenrat, darunter waren auch Emilia und Bodo. Sie setzten sich im Kreis unter die Dorfplatzlinden und begannen ihren Rat. Die anderen Bären wählten die Boten und gingen zurück in ihre Häuser.
Auch Rosa eilte in ihre Hütte. Sie setzte sich mit einer heißen Tasse Kaffee an den Küchentisch. Der Drache ging ihr nicht aus dem Kopf. Sie wusste aus Großvaters Erzählungen, wie gefährlich er war. Mama und Papa waren aus Angst vor ihm weggegangen. Sie fehlten ihr, aber hier war ihr Zuhause. Er hatte das ganze Dorf ausgeraubt und abgebrannt. Viele Bären hatte er getötet. All das wusste Rosa. Und trotzdem war er so schön, eine imposante Erscheinung, der seinen gewaltigen Körper perfekt beherrschte. Nein ich darf nicht mehr an ihn denken, befahl sie sich selbst. Vor allem darf niemand wissen, dass er mir gefällt. Wie kann man von einem Ungeheuer fasziniert sein?
Aber sie dachte weiter an Tumaros und Tumaros dachte an Rosa.
Jakob führte das Wort. Er kannte sich bestens mit dem Drachen aus und die anderen vertrauten ihm. Warum er sich so gut auskannte, wusste kaum einer, denn die wenigsten kannten Eschagunde. Emilia kannte sie und fragte sich, ob sie schon von Tumaros‘ Erwachen wusste. Sie blickte Jakob fragend an. Dieser schüttelte fast unmerklich den Kopf.
»Lasst uns zunächst die Fakten sammeln«, eröffnete er die Runde. »Tumaros ist aufgewacht, er wird in jedem Fall Beute machen wollen. Aber unser Dorf hat er nicht angegriffen.«
»Vielleicht weil wir keine Schätze mehr haben«, überlegte Emilia. »Keiner von uns hat es nach seinem letzten Angriff wieder zu Wohlstand gebracht.«
»Keiner wollte es zu Wohlstand bringen. Was man nicht hat, kann man nicht verlieren. Wer verliert schon gerne seinen Besitz an einen Drachen«, sagte Edmund, dem die Mühle gehört hatte.
»Wenn Tumaros keine Beute machen kann, tötet er und verbreitet Angst und Schrecken. Es hat einen Grund, dass er nicht angegriffen hat«, überlegte Jakob.
»Denkst du, er war auf Erkundungsflug und plant einen Angriff in den kommenden Nächten?«, fragte Mischa.
»Ja, das könnte sein. Oder er wollte uns angreifen und hat seinen Plan während des Fluges geändert. In jedem Fall müssen wir damit rechnen, dass er wiederkommt«, erwiderte Jakob.
»Die Pläne eines Drachen sind stets gut überlegt«, sagte Emilia. »Dass er seinen Plan plötzlich ändert, ist unwahrscheinlich.«
»Und doch ist es möglich«, antwortete Jakob.
»Dann sollten wir alle unsere Sachen packen und uns in Sicherheit bringen, solange wir es noch können«, sagte Ferdinand, der beim letzten Angriff seine Frau verlor und seine Kinder allein groß gezogen hatte.
»Keiner will das Dorf verlassen, sonst hätten wir es schon getan. Wir müssen überlegen, wie wir bleiben und uns vor dem Drachen schützen können«, sagte Mischa.
»In einer Sache sind wir stärker als das Ungeheuer. Wir sind nicht gierig! Soll er unsere Hütten abbrennen. Dann bauen wir Neue. Hauptsache wir bleiben unversehrt«, meldete sich Bodo zu Wort, der noch sehr jung war, aber wegen seines scharfen Verstandes von allen geachtet wurde. Darüber hinaus war er ein stattlicher Bär, mit tiefschwarzem Fell und markanten Gesichtszügen. Sein schlichter, schwarzer Ledergürtel war rundum mit Werkzeug bestückt, denn es gab immer etwas zu helfen.
»Ich schlage vor, dass jeder das Nötigste seiner Habe außerhalb des Dorfes in Sicherheit bringt. Dann müssen wir nicht völlig bei null anfangen, wenn er uns überfallen sollte.«
»Das ist ein guter Vorschlag. Dazu soll sich jeder einen Fluchtweg und ein Versteck im Wald suchen«, nahm Mischa den Vorschlag auf.
»Und was, wenn wir vom Feuer überrascht werden?«, fragte Edelgard, Edmunds Frau.
»Natürlich brauchen wir eine Wache, die sofort Alarm schlägt, wenn der Drache in Sicht kommt«, sagte Mischa.
»Das hört sich gut an, aber glaubt ihr, dass wir auf Dauer mit der Bedrohung leben können?«, gab Emilia zu bedenken. »Angegriffen werden ist hart, aber täglich damit zu rechnen, ist noch viel härter. Es ist niemand im Dorf, der nicht einen Verlust durch den Drachen zu beklagen
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