Drachentempel 01 - Sternenträume
vergaß nicht zu verlangsamen, bevor er die Schleuse erreichte, und glitt ohne Probleme durch die Luke und um die Ecke, während er zufrieden zur Kenntnis nahm, dass die alten Reflexe rasch zurückkehrten.
Die Moray war innen genauso primitiv wie außen. Nackte Schotten aus Aluminium mit Dutzenden von Rohren und Leitungen und Handgriffen, wohin man sah. Die Luft roch nach Chlor und Urin. Es musste ein sehr strenger Geruch sein – Lawrences Nase schwoll rasch zu, und er roch fast überhaupt nichts mehr. Auf der anderen Seite der Luftschleuse wurde er von einem Besatzungsmitglied in Empfang genommen. Lawrence nannte ihm die Nummer seines Platoons, 435NK9, und erfuhr im Gegenzug, welche Koje man ihnen zugewiesen hatte. Jeder der großen Habitationszylinder war farbig kodiert. Lawrence führte sein fluchendes, unbeholfenes Platoon in den gelben. Stimmen aus offenen Luken hallten um ihn herum – andere Platoons, die sich über die Zustände aufregten und darüber, dass einige ihrer Kameraden weltraumkrank waren, und warum nicht irgendein Bastard irgendetwas gegen die verdammte Schwerelosigkeit unternahm. Zweimal prallte Lawrence selbst unsanft gegen eine Wand, während sie sich durch den zentralen Korridor bewegten, Ellbogen und Knie. Als sie ihre Koje erreichten, spürte er bereits die Prellungen.
Die anderen krochen stöhnend und murrend hinter ihm herein und blickten sich mürrisch um. Ihr Abteil war von einfacher Keilform. Es besaß drei Reihen Sessel mit einfachen Gurten, zwei spezielle Null-G-Toiletten, einen Spind voller spezieller Lebensmittel, einen Mikrowellenofen und einen Wasserspender mit vier langen Schläuchen, die in Ventilen aus rostfreiem Stahl endeten. Irgendjemand hatte: »Denk nicht mal dran!« auf die Ziehharmonikatür aus Aluminium geschrieben, die zu einer der Toiletten führte. Das, was die Decke werden würde, sobald der Ionenantrieb lief, wurde von einem großen Flachbildschirm eingenommen. Er war so ausgerichtet, dass jeder in den Sesseln einen einigermaßen vernünftigen Blick darauf hatte. In der Mitte des Schirms leuchtete schwach das Logo der Strategischen Sicherheit von Z-B: ein dunkelrotes Omegasymbol, das die Erde umklammerte und von fünf Sternen gekrönt war.
Hal verstaute seinen Seesack und segelte durch das Abteil, wobei er einen raschen Salto schlug. »Das ist absolut irre! Hey, was kriegen wir unterwegs zu sehen, was meint ihr?«
»In einer Kiste wie dieser hier? Nichts«, sagte Odel ärgerlich. »Das ist keine Vergnügungsfahrt, Kleiner, hast du das noch nicht gemerkt? Du kannst von Glück sagen, wenn sie ein paar Schwarzweißfilme an Bord haben.« Er setzte seine Brille auf und stöpselte die Kopfhörer in seine Ohren. Die Displaylinsen blieben leer, dann erschienen dunkelrote vertikale Linien, als er ein Menu aktivierte. Er stellte sich eine Liste mit Rock zusammen, Jahrhunderte alte Klassiker bis hin zu Beefbat und Tojo Wall, dann lehnte er sich zufrieden zurück, als die Musik zu spielen begann.
Lawrence seufzte und sicherte sich nachlässig auf einem der Sessel. Es hätte schlimmer kommen können. Einige Platoons waren schon vor zehn Tagen von Cairns nach oben geschafft worden. Sie mussten wenigstens nur vier Tage warten, bis die Dritte Flotte endlich von Centralis aus in den Raum stach. Vielleicht gelang es ihnen ja, dem Jungen etwas ins Essen zu schmuggeln.
Simon Roderick ging eine halbe Stunde vor dem öffnen des Portals hinunter in die Observationsgalerie. Mehr als hundert Leute drängten sich in die kleine Kammer, die aus der Oberfläche von Centralis ragte. Irgendwie schienen sie sich darauf zu verständigen, ihm einen kleinen Freiraum vor dem dicken Glas zu lassen, wo er stehen konnte. Sie waren still, obwohl Simon ihre Ablehnung und Unruhe spüren konnte. Wie immer ignorierte er ihre Feigheit mit gewohnter Verachtung. Das körperliche Unbehagen, das Centralis selbst verursachte, ließ sich nicht so leicht übergehen.
Die Zentrifugalkraft verursachte keinen Schwindel bei ihm, auch wenn er sich häufig wünschte, normale Erdschwere um sich zu haben. Dafür war Centralis zu klein. Seine Rotation erzeugte lediglich etwas weniger als zwei Drittel davon, und das auch nur auf den äußersten Ebenen.
Damals in den neunzehnhundertsiebziger Jahren, als Gerard K. O’Neill sein High-Frontier-Konzept zusammengestellt hatte, hatte er mehrere Entwürfe für »Weltrauminseln« entwickelt. Angefangen bei einer einfachen Bernal Sphere mit einem Durchmesser von
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