Drachentempel 01 - Sternenträume
vierhundert Metern bis hin zum Garten Eden von »Island Three«: miteinander verbundene Zylinder von zwanzig Kilometern Länge. Alle waren zugegebenermaßen mit relativ wenig Aufwand zu realisieren.
Das Problem bestand im Heranschaffen von ausreichend Material und den erforderlichen Konstruktions- und Montagemannschaften mitsamt der dazugehörigen Ausrüstung, und das in einer Zeit, als der Start eines einzelnen Space Shuttles mehr als zweihundert Millionen US-Dollar gekostet hatte.
Scramjet-Raumflugzeuge machten den Zugang zum Weltraum um ein Vielfaches billiger, doch genauso sehr, wie sie beim Errichten von Stationen im niedrigen Orbit halfen, verringerten sie die Notwendigkeit großer Habitate. Selbst in einer zügellosen Konsumgesellschaft war der Bedarf an ultraspeziellen Kristallen und Chemikalien, die sich nur in Schwerelosigkeit herstellen ließen, auf wenige hundert Tonnen pro Jahr limitiert. Eine Menge, die leicht von ein paar kleinen zähen Teams mit exorbitanten Gehältern und der Bereitschaft, die unangenehmen Bedingungen im Orbit zu ertragen, zu bewältigen war.
Erst im Jahre 2070, als eine Methode für überlichtschnelles Reisen erfunden wurde, entstand ein Bedarf für größere Habitate im hohen Orbit. Raumschiffe waren weder kompakt noch billig, zu ihrer Konstruktion waren Tausende von Arbeitern erforderlich. Sie waren zu groß, um von der Oberfläche zu starten oder dort zu landen, daher mussten sie im Raum gebaut werden. O’Neills alte Ideen wurden aus den Universitätsbibliotheken ausgegraben und erneut untersucht.
Eine wichtige Neuerung seit den Tagen O’Neills war die synthetische Nahrungsmittelproduktion. Den alten Inselentwürfen lag die Voraussetzung zugrunde, dass viel Land erforderlich war, um die Bevölkerung zu ernähren. O’Neills Zylinder hatten ausgesehen wie Kristallpaläste, umgeben von eleganten Bändern aus landwirtschaftlichen Modulen, damit sie autark waren. Die neuen Entwürfe entledigten sich dieses Ballasts – sie benötigten nicht viel mehr als ein paar Raffineriemodule, um aus Exkrementen wieder Proteinzellen zu machen. Die Raumschiffsgesellschaften hingen noch immer der Vorstellung von einem zentralen Gartenpark nach; diese Art von freiem Raum wurde als wichtiges psychologisches Erfordernis für die Besatzungen angesehen, die Monate, wenn nicht Jahre auf den Inseln verbringen mussten. Und eine gewisse Menge an Biomasse bedeutete auch ein kosteneffizientes, ausfallsicheres Luftregenerationssystem. Doch der ganze Rest, die luxuriösen Landschaften, die mäandernden Süßwasserseen, die riesigen Fenster mit den automatischen Schwenkspiegeln, das karibische Klima und die italienischen Villen – all das wurde zusammengestrichen und modernisiert.
Centralis, die erste Lagrange-Punkt-Einrichtung von Z-B, besaß eine zylindrische Geometrie, fünfhundert Meter im Durchmesser und einen Kilometer lang. Die Apartmentkomplexe waren so beengt wie in einem billigen Wohnblock unten auf der Oberfläche, nur dass diese hier ringförmig waren und die unteren fünfzig Meter jeder Abschlusskappe belegten. Der Garten dazwischen war wie jeder städtische Park zu stark benutzt und zu stark gepflegt. Sträucher und Bäume wuchsen hoch und dünn auf ihrer Schicht aus zermahlenem Felsen, der als Erdreich diente. Die fusionsbetriebene Plasmaröhre entlang der Achse lieferte nicht die richtige Menge UV. Doch es gab Teiche mit Springbrunnen und kostbaren Koi-Karpfen und Picknicktische, einen Joggingpfad, Tennisplätze und Baseballfelder. Auch wenn es Monate dauerte, bis die Neuankömmlinge sich an die von Corioliskräften bestimmten doppelten Flugbahnen der Bälle gewöhnt hatten.
Auch die Strahlungsabschirmung war jenseits der schützenden irdischen Atmosphäre eine ständige Sorge. Der einzige echte Schutz gegen Gammastrahlen und hochenergetische Partikel bestand in Masse. Große, dicke, fette Barrieren aus Masse. Centralis war mit einer äußeren Felsenschicht von zwei Metern Dicke überzogen, die vor schwarzen Radiatorfinnen nur so wimmelte. Es gab nur wenige Lücken, wo die axialen Korridore den Hauptzylinder mit dem nichtrotierenden Andockbereich an jedem Ende verbanden, Schächte für die Leitungen und Rohre, die Flüssigkeiten in die Radiatoren pumpten, und die Observationsgalerie.
Draußen beschrieben die Sternbilder einen langsamen Kreisbogen, doch das Portal blieb ständig in Sicht. Es schwebte fünfzig Kilometer vor der Rotationsachse von Centralis wie ein blauer Polarstern. Simon
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