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Drachentochter

Drachentochter

Titel: Drachentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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in der Mitte des Zimmers auf. Es war Chart, der von seiner Matte neben den Herden nach mir rief.
    »Er hat auf dich gewartet«, sagte Kuno. »Den ganzen Tag über ist er mir in die Quere gekommen.« Er trennte den Kopf der Weißwurzel mit einem besonders kräftigen Hieb ab. »Sag ihm, ich bin nicht blind und weiß genau, dass er am Käse war.« Obwohl sie nun seit elf Jahren in der gleichen Küche arbeiteten, weigerte Kuno sich noch immer, mit Chart zu sprechen oder ihn auch nur anzusehen, denn das würde zu viel Unglück bringen.
    Ich umrundete den Tisch und hielt mich an seiner ramponierten Kante fest, während ich mich neben Chart auf den Steinboden niederließ. Er tippte mir mit klauenartig gebogenem Finger ans Knie und sein halboffener Mund verzog sich langsam zu einem Lächeln.
    »Hast du wirklich von dem Käse genommen?«, fragte ich leise und setzte mich dabei anders hin, um die schmerzende Hüfte möglichst zu entlasten.
    Er nickte energisch, öffnete die Hand und zeigte mir ein Stück schmutzige Käserinde. Die Muskeln in seiner Kehle zogen sich zusammen, als er sich zu sprechen mühte. Ich hör te genau hin, um in seinen lang gezogenen, angestrengten Lau ten Worte zu erkennen.
    »Für … die … Ratte.« Er drückte mir die Rinde in die Hand.
    »Danke«, sagte ich und schob den Käse in die Tasche. Chart gab mir ständig Lebensmittel, die er gefunden hatte. Oder gestohlen. Er war davon überzeugt, dass wenn ich nur die große graue Ratte fütterte, die hinter dem Lagerraum leb te, in dem ich schlief, der Rattendrache mir diese Freundlichkeit vergelten würde, indem er mich zu seinem Lehrling erwählte. Ich war mir nicht sicher, ob ein Energiedrache so eine Kleinigkeit überhaupt bemerken würde, doch ich gab die Reste dennoch der Ratte.
    Chart zog unter sich eine dicke, aber ganz staubige Scheibe besten Weißbrots hervor. Das Brot des Meisters. Ich warf einen raschen Seitenblick auf Kuno; er war noch immer über seine Weißwurzel gebeugt. Ich bewegte mich nach rechts, bis er Chart und das Brot nicht mehr sehen konnte.
    »Wie hast du das bekommen? Kuno wird dich auspeitschen«, flüsterte ich.
    »Für dich … heute gibt’s … nur Hirsebrei … da bist du … morgen hungrig.« Er ließ das Brot in meinen Schoß fallen.
    Ich senkte dankbar den Kopf und stopfte es zum Käse in meine Tasche. »Ich glaube, so ist es gedacht. Wir sollen hungrig in die Prüfung gehen«, erwiderte ich.
    Chart verzog den Mund zu einer verblüfften Grimasse.
    Ich zuckte die Achseln. »Wir sollen unser Durchhaltevermögen beweisen, indem wir die Eröffnungszeremonie müde und hungrig hinter uns bringen.«
    Chart rollte seinen Kopf auf der Matte hin und her. »Blöd … sinn«, sagte er, atmete tief ein, drückte den Schädel an die Feuerholzkiste und sah mir in die Augen. »Morgen früh kommst du … Abschied nehmen?« Er umschloss mein Handgelenk mit den Fingern. »Komm Abschied nehmen … vor der Zeremonie – versprochen?«
    Chart wusste, dass ich nicht zurückkäme, falls ich erwählt würde. Ein neuer Lehrling wurde nach der Zeremonie sofort in die Drachenhalle gebracht. Ein neues Zuhause. Ein neues Leben. Meine Kopfhaut prickelte, als mich plötzlich eine Hit zewelle durchfuhr und mir der Schweiß ausbrach; am nächsten Tag schon konnte ich dieser Lehrling sein.
    »Versprochen?«, fragte Chart erneut.
    Ich nickte, denn die Panik schnürte mir die Kehle zu und ließ mich keinen Ton herausbringen.
    Er ließ meinen Arm los und bat mich mit erhobener Hand: »Erzähl mir noch mal … wie die Halle … des Rattendrachen … aussieht.«
    Ich hatte sie nur einmal gesehen. Einige Monate zuvor hat te Ranne uns während des Trainings über den Drachenring marschieren lassen, die Prachtstraße der Hallen, die den äußeren Bezirk des Kaiserpalasts umgab. Jede Halle stand genau auf der Himmelrichtung, die von dem jeweiligen Drachen eingenommen wurde, zu dessen Ehren sie erbaut worden war. Sie war Zuhause und Arbeitsstätte ihres Drachenauges und Lehrlings. Die Halle des Rattendrachen lag im Nordnordwesten des Kreises. Zwar war es weder die größte noch die prächtigs te Halle, doch sie war sicher dreimal so groß wie das Haus meines Meisters. Wir Anwärter durften die Halle nicht betreten, doch Ranne hatte uns gestattet, fünf Minuten in dem Garten zu rasten, in dem einst die Halle des Spiegeldrachen gestanden hatte. Sie war vor fünfhundert Jahren abgebrannt; nur die Grundmauern waren noch im Gras zu sehen. Dillon und ich hatten sie

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