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Drachentränen

Drachentränen

Titel: Drachentränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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eine Milliarde Dollar durchbringen konnte.
    Normalerweise verabscheute Harry solche Methoden, und es war das erste Mal, dass er ihr erlaubt hatte, ihre Dietriche zu benutzen, seit sie seine Partnerin war. Doch sie hatten zu wenig Zeit, um sich an die Regeln zu halten. Bis zum Morgengrauen waren es keine sieben Stunden mehr, und sie waren Ticktack nicht näher gekommen als Stunden zuvor.
    Das Haus hatte drei Schlafzimmer und war nicht groß, aber die vorhandene Fläche war gut aufgeteilt. Wie das Äußere, so hatte auch das Innere keine scharfen Kanten. Alle Ecken waren sanft abgerundet, und viele Zimmer hatten zumindest eine gewölbte Wand. Abgerundete, extrem glänzende, weiß lackierte Flächen dominierten. Die meisten Wände waren ebenfalls hochglänzend weiß gestrichen, was den Räumen einen perligen Schimmer verlieh. Nur im Esszimmer hatte man Strukturputz aufgetragen, um die Illusion zu vermitteln, sie seien mit elegantem beigem Leder gepolstert.
    Die Wohnung gab einem das Gefühl, man befände sich im Inneren eines Kreuzfahrtschiffs, und das hätte eigentlich beruhigend, wenn nicht sogar gemütlich sein müssen. Aber Harry war nervös, nicht nur, weil der mondgesichtige Mörder dort gewohnt hatte oder weil sie illegal eingedrungen waren, sondern auch noch aus anderen Gründen, die er nicht eindeutig bestimmen konnte.
    Vielleicht hatte die Einrichtung mit seiner düsteren Ahnung zu tun. Jedes Teil war in modernem skandinavischem Stil gehalten, streng, ohne jede Verzierung, mit mattgelben Ahornfurnieren, so eckig, wie das Haus abgerundet war. Durch den extremen Kontrast zur Architektur kamen ihm die scharfen Kanten der Sessellehnen, Couchtischchen und Sofarahmen so vor, als ob sie sich gegen ihn aufrichteten. Der Teppich war ein ganz dünner Berber mit sehr kurzem Flor; falls er überhaupt unter den Füßen nachgab, war das so minimal, dass es nicht auffiel.
    Bei ihrem Rundgang durch Wohnzimmer, Esszimmer, Arbeitszimmer und Küche fiel Harry auf, dass an den Wänden keine Bilder hingen. Es gab überhaupt keinerlei dekorative Gegenstände; die Tische waren vollkommen kahl bis auf schlichte Keramiklampen in Schwarzweiß. Nirgendwo lagen Bücher oder Zeitschriften.
    Die Räume hatten etwas Klösterliches an sich, als ob derjenige, der dort wohnte, eine langfristige Strafe für seine Sünden verbüßte.
    Ordegard schien zwei ganz unterschiedliche Charaktere gehabt zu haben. Die organischen Linien und Strukturen des Hauses selbst deuteten auf einen Bewohner hin, der sehr sinnlich war, der mit sich und seinen Gefühlen im Einklang stand, einigermaßen entspannt war und Dinge zu genießen wusste. Auf der anderen Seite ließen die erbarmungslose Eintönigkeit der Möbel und das völlige Fehlen von Wandschmuck darauf schließen, dass er kalt war, hart gegen sich selbst und andere, introvertiert und grüblerisch.
    »Was hältst du davon?« fragte Connie, als sie in den Flur traten, der zu den Schlafzimmern führte.
    »Unheimlich.«
    »Hab’ ich dir doch gesagt. Aber wieso eigentlich?«
    »Die Kontraste sind… zu extrem.«
    »Yeah. Und es sieht nicht bewohnt aus.«
    Im Hauptschlafzimmer hing dann schließlich ein Gemälde an der Wand, direkt gegenüber dem Bett. Ordegard musste es als erstes beim Aufwachen gesehen haben und als letztes, bevor er jede Nacht einschlief. Es handelte sich um eine Reproduktion eines berühmten Kunstwerks, das Harry kannte, obwohl er keine Ahnung hatte, wie es hieß. Er glaubte, dass es von Francisco de Goya stammte; so viel hatte er aus dem Kunstunterricht behalten. Das Werk war bedrohlich, ging an die Nerven und vermittelte ein Gefühl von Grauen und Verzweiflung, nicht zuletzt weil es unter anderem die Gestalt eines Riesen zeigte, eines Dämons, der dabei war, einen blutigen und kopflosen menschlichen Körper zu verschlingen.
    Zutiefst beunruhigend und zugleich großartig komponiert und ausgeführt, war es zweifellos ein bedeutendes Kunstwerk - passte allerdings eher an die Wände eines Museums als in ein Privathaus. Seine Wirkung musste durch einen großen Ausstellungsraum mit gewölbter Decke gemildert werden; hier in diesem Zimmer von normalen Ausmaßen war das Bild zu überwältigend, seine düstere Energie fast lähmend.
    Connie sagte: »Was glaubst du, mit wem er sich identifiziert hat?«
    »Wie meinst du das?«
    »Dämon oder Opfer?«
    Er dachte darüber nach. »Mit beiden.«
    »Sich selbst verschlingen.«
    »Yeah. Von seinem Wahnsinn verschlungen werden.«
    »Und unfähig

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