Drachentränen
erwartet hatte. Statt dessen war er im Zentrum von Laguna unterwegs und hatte etwas dabei, das wie eine Thermosflasche aussah, stolperte betrunken an geschlossenen Geschäften vorbei und lehnte sich einen Augenblick gegen einen Baumstamm, um Luft zu schnappen und sich zu orientieren. Dann torkelte er zehn bis zwanzig Schritte weiter, nur um sich gegen eine Mauer zu lehnen und den Kopf hängen zu lassen und offenbar zu überlegen, ob er sich übergeben sollte. Er entschied sich dagegen und taumelte wiederum ein Stück weiter, wobei er wütend die Augen zusammenkniff, schielte, den Kopf mit einer untypischen Entschlossenheit im Gesicht nach vorne schob, als ob er ein wichtiges Ziel im Auge hätte, obwohl er sehr wahrscheinlich nur auf einem seiner willkürlichen Streifzüge war, von einer dämlichen, irrationalen Motivation getrieben, die nur für jemanden verständlich war, dessen Gehirn ebenso in Alkohol eingelegt war wie seines.
Bryan verließ Sam the Sham und sah sich als nächstes nach dem großkotzigen, heldenhaften Klugscheißer und damit zwangsläufig auch nach diesem Miststück, seiner Kollegin, um. Sie saßen in dem Honda des Helden und fuhren in die Einfahrt eines modernen Hauses mit verwitterten Außenwänden aus Zedernholz und vielen großen Fenstern, das hoch oben in den Hügeln lag. Sie unterhielten sich. Er konnte nicht hören, was sie sagten. Angeregt. Ernsthaft. Die beiden Cops stiegen aus dem Auto und merkten nicht, dass sie beobachtet wurden. Bryan sah sich um. Er erkannte die Gegend, weil er sein Leben lang in Laguna Beach gewohnt hatte, doch er wusste nicht, wem das Haus gehörte.
In wenigen Minuten würde er Lyon und Gulliver etwas direkter heimsuchen.
Schließlich wandte er sich Janet Marco und ihrem Bengel zu, die in ihrem lädierten Dodge auf dem Parkplatz neben der Methodistenkirche hockten. Der Junge schien auf dem Rücksitz zu schlafen. Die Mutter saß zusammengesunken, gegen die Fahrertür gelehnt, hinter dem Lenkrad. Sie war hellwach und starrte aufmerksam in die Dunkelheit um das Auto herum.
Er hatte versprochen, sie im Morgengrauen zu töten und hatte vor, diesen Termin, den er sich selbst gesetzt hatte, auch einzuhalten. Sich diese beiden und zwei Cops vorzunehmen, würde ganz schön anstrengend, nachdem er gerade erst so viel Energie verbraucht hatte, um Enrique Estefan zu quälen und auszulöschen. Doch mit ein oder zwei Nickerchen zwischen jetzt und Sonnenaufgang, ein paar Tüten Kartoffelchips, Plätzchen und vielleicht einem weiteren großen Eis würde er schon in der Lage sein, sie alle auf wunderbar befriedigende Weise zu vernichten.
Normalerweise hätte er sich während der letzten sechs Stunden, die Mutter und Sohn noch zu leben hatten, mindestens zwei- bis dreimal durch einen Golem gezeigt und sie schikaniert, um ihre Panik auf die Spitze zu treiben. Töten war ein reines Vergnügen, intensiv und orgiastisch. Doch die Stunden - und manchmal Tage - der Qual, die den meisten seiner Hinrichtungen vorausgingen, machten fast soviel Spaß wie der Augenblick, in dem endlich Blut floss. Er wurde erregt von der Angst, die die Tiere zeigten, von dem Schrecken und der Ehrfurcht, die er in ihnen auslöste; er spürte einen Schauder angesichts ihrer absoluten Fassungslosigkeit und Hysterie, wenn ihre jämmerlichen Versuche, sich zu verstecken oder wegzulaufen, scheiterten, wie sie es früher oder später unweigerlich taten. Doch bei Janet Marco und ihrem Jungen würde er auf das Vorspiel verzichten müssen, sie nur noch einmal heimsuchen, nämlich im Morgengrauen, wenn er ihnen die Rechnung aus Schmerz und Blut dafür präsentieren würde, dass sie die Welt mit ihrer Gegenwart verseucht hatten.
Bryan musste seine Energie für den großkotzigen Cop aufbewahren. Er wollte, dass der große und starke Held mehr Qualen erleiden sollte als die anderen vor ihm. Demütige ihn. Brich ihn. Mach aus ihm ein bettelndes, heulendes Baby. In dem tollen Helden steckte ein Feigling. Das war bei denen immer so. Bryan wollte den Feigling dazu bringen, auf dem Bauch zu kriechen, zu zeigen, was für ein Schwächling er tatsächlich war, ein Waschlappen, nichts als ein Angsthase, der sich hinter seinem Abzeichen und seinem Revolver versteckte. Bevor er die beiden Cops tötete, würde er sie bis zur völligen Erschöpfung jagen, sie Stück für Stück auseinander nehmen, damit sie wünschten, sie wären nie geboren.
Er stellte seine Weitsicht ein und zog sich von dem Dodge auf dem Parkplatz an der Kirche
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