Drachentränen
rollte sich in Fötushaltung zusammen, umklammerte seinen geschlagenen und schmerzenden Körper und weinte so heftig, wie er zuvor gekreischt und um sich geschlagen hatte, war so leidenschaftlich in seinem Selbstmitleid, wie er zuvor in seinem Zorn gewesen war.
Es war nicht fair, überhaupt nicht fair, was von ihm erwartet wurde. Er musste Werden, ohne die Gemeinschaft eines Bruders, ohne die leitende Hand eines Zimmermanns als Vater, ohne das zärtliche Mitleid seiner Mutter. Jesus hatte während seines Werdens die vollkommene Liebe von Maria genossen, doch diesmal gab es keine Heilige Jungfrau, keine strahlende Madonna an seiner Seite. Diesmal war es eine Hexe, die durch ihre gierigen Gelüste und ihre Hemmungslosigkeit verdorrt und ausgezehrt war und sich von ihm voller Abscheu und Angst abwandte, unfähig und unwillig, Trost zu spenden. Es war so unfair, so abgrundtief ungerecht, dass von ihm erwartet wurde, zu Werden und die Welt neu zu erschaffen ohne die bewundernden Jünger, die Jesus zur Seite gestanden hatten, und ohne eine Mutter wie Maria, die Königin der Engel.
Allmählich ließ sein unglückliches Schluchzen nach.
Der Tränenfluss nahm ab und versiegte schließlich.
Er lag dort unglücklich und einsam.
Er brauchte Schlaf.
Seit seinem letzten Nickerchen hatte er einen Golem geschaffen, um Ricky Estefan zu töten, einen weiteren Golem gebaut, um die silberne Schnalle an den Rückspiegel in Lyons Honda zu binden, seine Schöpferkraft erprobt, indem er das fliegende Reptil aus dem Sand am Strand zum Leben erweckte, und noch einen weiteren Golem erschaffen, um den großen Helden-Cop und seine Partnerin zu terrorisieren. Außerdem hatte er mit Hilfe seiner Größten und Geheimsten Kraft die Spinnen und Schlangen in die Küchenschränke von Ricky Estefan gebracht, den abgebrochenen Kopf der kleinen Heiligenfigur in Connie Gullivers fest zusammengeballte Hand platziert und Lyon fast in den Wahnsinn getrieben, indem er ihn dreimal in unterschiedlichen selbstmörderischen Positionen auf diesen Küchenstuhl beförderte.
Bryan kicherte, als er an Harry Lyons totale Verwirrung und Angst dachte.
Blöder Cop. Großer Held. Hat sich fast vor Angst in die Hose gepisst.
Bryan kicherte wieder. Er rollte sich auf den Bauch und begrub sein Gesicht in einem Kissen, während das Kichern immer stärker wurde.
Hat sich fast in die Hose gepisst. Was für ein Held.
Schon bald hörte er auf, sich selbst leid zu tun. Er war in einer viel besseren Stimmung.
Er war zwar immer noch erschöpft und brauchte Schlaf, aber er war auch hungrig. Er hatte bei der Ausübung seiner Macht eine ungeheure Menge Kalorien verbrannt und ein paar Pfund abgenommen. Er würde gewiss nicht schlafen können, bevor er nicht sein quälendes Hungergefühl gestillt hatte.
Er zog seinen roten Seidenmantel an und ging hinunter in die Küche. Er holte sich ein Päckchen Marshmallows, ein Päckchen Oreos und eine große Tüte Kartoffelchips mit Zwiebelgeschmack aus der Speisekammer. Aus dem Kühlschrank nahm er zwei Flaschen Yoo-Hoo, einmal Schokolade und einmal Vanille.
Er trug das Essen durch das Wohnzimmer nach draußen, auf den mit mexikanischen Fliesen ausgelegten Patio, der teilweise vom Balkon des Schlafzimmers im ersten Stock überdacht wurde. Er setzte sich auf einen Klubsessel am Geländer, damit er den dunklen Pazifik sehen konnte.
Während Mitternacht verstrich und aus dem Dienstag ein Mittwoch wurde, kam vom Meer ein kühler Wind, doch das machte Bryan nichts aus. Oma Drackman hätte ihn schon wieder angemeckert, von wegen er holte sich eine Lungenentzündung. Doch wenn es zu frisch wurde, konnte er ohne große Anstrengung seinen Stoffwechsel ein wenig regulieren und damit seine Körpertemperatur erhöhen.
Er spülte die ganze Tüte Marshmallows mit Vanille-Yoo-Hoo runter.
Er konnte essen, was er wollte.
Er konnte machen, was er wollte.
Obwohl das Werden ein einsamer Prozess war und obwohl es ihm unfair erschien, keine bewundernden Jünger und keine heilige Mutter zu haben, war es letztlich so am besten. Während Jesus ein Gott des Mitleids und der Erlösung war, sollte Bryan ein Gott des Zorns und der Reinigung werden; deshalb war es wünschenswert, dass er in Einsamkeit Wurde, ohne durch die Liebe einer Mutter verweichlicht und durch Predigten über Sorge und Barmherzigkeit belastet zu sein.
Kapitel 14
Dieser stinkende Mann, der mehr stinkt als verfaulte Orangen, die von einem Baum fallen und voller sich windender
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