Drachentränen
Harry sicher, dass sie zu weit vom Drackman-Haus entfernt waren, als dass Ticktack von einem Geräusch, das der Hund machen könnte, aufgeschreckt werden könnte.
Sammy sagte: »Wie lange sollen wir warten, bis wir annehmen, dass… nun ja… dass Sie ihn nicht gekriegt haben, sondern er Sie? Tut mir leid, aber ich muss das fragen? Wann sollen wir weglaufen?«
»Wenn er uns kriegt, habt ihr keine Chance wegzulaufen«, sagte Connie.
Harry drehte sich zu dem dunkleren hinteren Teil des Wagens um und sah sie an. »Yeah. Er wird sich wundern, wie zum Teufel wir ihn gefunden haben, und nachdem er uns getötet hat, wird es sofort eine weitere PAUSE geben, in der er nach euch allen sieht, alles überprüft und versucht dahinter zu kommen. Wenn er uns kriegt, werdet ihr es wissen, weil nur wenige Sekunden, nachdem die reale Zeit wieder angelaufen ist, wahrscheinlich einer seiner Golems hier bei euch im Wagen auftauchen wird.«
Sammy blinzelte wie eine Eule. Er befeuchtete seine aufgesprungenen Lippen mit der Zunge. »Dann seht um Gottes willen zu, dass ihr ihn tötet.«
Harry öffnete ganz leise seine Tür, während Connie auf ihrer Seite ausstieg. Als er hinaustrat, schlüpfte der Hund zwischen den Vordersitzen hindurch und folgte ihm, bevor er merkte, was los war.
Er griff nach dem Köter, als er seine Beine streifte, erwischte ihn aber nicht.
»Woofer, nein!« flüsterte er.
Der Hund ignorierte ihn und trottete zum Heck des Lieferwagens.
Harry ging hinter ihm her.
Der Hund sprintete los, und Harry rannte einige Schritte hinterher, doch der Hund war schneller und verschwand im dichten Nebel auf dem Highway in nördlicher Richtung, also Richtung Abzweigung zum Drackman-Haus.
Harry fluchte vor sich hin, als Connie zu ihm kam.
»Er kann nicht dorthin gehen«, flüsterte sie.
»Warum kann er das nicht?«
»O Gott. Wenn er irgendwas tut, das Ticktack aufschreckt…«
Harry sah auf seine Uhr. 2:34.
Vielleicht blieben ihnen noch zwanzig, fünfundzwanzig Minuten. Oder vielleicht kamen sie schon zu spät.
Er entschied, dass sie sich nicht um den Hund kümmern konnten.
»Denk’ dran«, sagte er, »Kopfschuss. Schnell und ganz aus der Nähe. Das ist die einzige Möglichkeit.«
Als sie zum Phaedra Way kamen, blickte er zum Wagen zurück. Er war vom Nebel verschluckt worden.
Kapitel 7
Er hat keine Angst. Nein. Keine Angst.
Er ist ein Hund, scharfe Zähne und Klauen, stark und schnell.
Er kriecht an dichtem, hohem Oleander vorbei. Dann der Menschenort, an dem er schon mal war. Hohe, weiße Mauern. Dunkle Fenster. Nur fast ganz oben ein schwach erleuchtetes Viereck.
Der Geruch von dem Ding-das-dich-töten-wird liegt schwer auf dem Nebel. Aber wie alle Gerüche im Nebel ist er nicht so deutlich, nicht so einfach aufzuspüren.
Der Metallzaun. Eng. Mach dich schmal. Durch.
Vorsicht an der Ecke vom Menschenort. Das letzte Mal war das böse Ding da draußen, hinter dem Ort, mit Tüten voller Futter. Schokolade. Marshmallows. Kartoffelchips. Hast nichts bekommen. Bist aber fast erwischt worden. Also steck diesmal nur die Nase um die Ecke. Schnupper schnupper. Dann kurz den ganzen Kopf. Nichts von junger-Mann-böses-Ding zu sehen. War hier, aber jetzt nicht, so weit sicher.
Hinter dem Menschenort. Gras, Erde, einige flache Steine, die die Menschen dorthin gelegt haben. Sträucher. Blumen.
Die Tür. Und in der Tür die kleine Tür für Hunde.
Vorsichtig. Schnupper. Junger-Mann-böses-Ding-Geruch sehr stark. Keine Angst. Nein, nein, nein, nein. Er ist ein Hund. Guter Hund, gut.
Vorsichtig. Kopf rein, die Hundetür geht hoch. Quietscht ganz leise. Menschenfutterort. Dunkel. Dunkel.
Drinnen.
Der sanft schimmernde Nebel brach sämtliche Lichtstrahlen auf dem Phaedra Way, von den niedrigen, pilzförmigen Malibu-Lampen auf dem Zugang zu einem der Häuser bis hin zu den beleuchteten Ziffern ‘auf der Hausnummer eines anderen, wodurch die Nacht heller wirkte. Doch in Wirklichkeit war die sich langsam bewegende, formlose Helligkeit trügerisch; sie ließ einen nichts erkennen und verbarg viel.
Harry konnte wenig von den Häusern sehen, an denen sie vorbeigingen, außer dass sie groß waren. Das erste war modern, an mehreren Stellen ragten scharfe Kanten aus dem Nebel, doch die anderen schienen ältere Häuser im mediterranen Stil zu sein, aus einer anmutigeren Epoche in der Geschichte von Laguna als das Ende des Jahrtausends. Sie wurden von ausgewachsenen Palmen und Gummibäumen geschützt.
Phaedra Way folgte
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