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Drachentränen

Drachentränen

Titel: Drachentränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Nebel hinauszustarren, der kühl und rein aussah.
    »Das Leben wurde für mich echt zu einem schlechten Trip«, sagte Jennifer.
    Harry fand es irritierend, wie diese verhärmte und ausgezehrte Greisin einen derart altmodischen Jargon benutzte.
    Sie sagte, ihre Angst vor dem Ungeborenen sei schlimmer gewesen als alles, was sie unter Drogen erlebt hatte. Ihre Gewissheit, dass sie ein Monster in sich trug, wurde von Tag zu Tag größer. Sie brauchte Schlaf, doch sie fürchtete ihn, weil sie darin von schockierenden, brutalen Träumen heimgesucht wurde, menschliches Leid in endlosen Variationen und etwas nicht Sichtbares, aber Schreckliches, das sich immer im Dunklen bewegte.
    »Eines Tages fand man mich schreiend auf der Straße, wie ich die Fingernägel wie Krallen in meinen Bauch schlug und etwas von einer Bestie in mir faselte. Man brachte mich auf eine psychiatrische Station.«
    Von dort brachte man sie nach Orange County in die Obhut ihrer Mutter, die sie sechs Jahre zuvor verlassen hatte. Ärztliche Untersuchungen ergaben Narben am Uterus, merkwürdige Verwachsungen und Wucherungen sowie eine äußerst abnorme Blutzusammensetzung.
    Obwohl man keine Abnormitäten an dem ungeborenen Kind feststellen konnte, blieb Jennifer davon überzeugt, dass es ein Monster sei und wurde täglich, ja stündlich hysterischer. Kein weltlicher oder religiöser Beistand konnte ihre Angst beschwichtigen.
    Als man sie aufgrund all der Dinge, die sie getan hatte, um das Kind loszuwerden, zu einer überwachten Entbindung in ein Krankenhaus einwies, war Jennifer bereits jenseits aller Hysterie in den Wahnsinn abgerutscht. Sie erlebte Drogen-Flashbacks, in denen es von organischen Monstrositäten nur so wimmelte, und kam zu der irrationalen Überzeugung, dass, wenn sie das Kind, das sie zur Welt brachte, auch nur ansah, sie auf der Stelle zur Hölle verdammt wäre. Die Entbindung war ungewöhnlich schwierig und langwierig, und wegen ihres geistigen Zustands war sie die meiste Zeit festgebunden. Doch als ihre Fesseln kurz gelockert wurden, damit sie es etwas bequemer hatte, drückte sie sich genau in dem Moment, als das hartnäckige Kind herauskam, mit ihren Daumen die Augen aus.
    Harry schauderte, während er am Fenster stand und in die Gesichter starrte, die sich im Nebel bildeten und wieder auflösten.
    »Und er wurde geboren«, sagte Jennifer Drackman. »Er wurde geboren.«
    Selbst ohne Augen wusste sie um das finstere Wesen der Kreatur, die sie zur Welt gebracht hatte. Aber er war ein schönes Baby, dann ein hübscher Junge (so sagte man ihr) und schließlich ein gut aussehender junger Mann. Die Jahre vergingen und niemand wollte die paranoiden Fantastereien einer Frau ernst nehmen, die sich selbst die Augen herausgedrückt hatte.
    Harry sah auf seine Uhr. 2:21.
    Sie waren höchstens noch vierzig Minuten sicher. Vielleicht erheblich weniger.
    »Es gab so viele Operationen, Komplikationen durch die Schwangerschaft, meine Augen, Infektionen. Mit meiner Gesundheit ging es ständig bergab, ein paar Schlaganfälle, und ich bin nie mehr zu meiner Mutter nach Hause zurückgekehrt. Das war auch gut so. Denn er war dort. Ich habe viele Jahre in einem staatlichen Pflegeheim verbracht, wollte sterben, betete darum, endlich zu sterben, war aber zu schwach, um mich selbst zu töten… in vieler Hinsicht zu schwach. Dann hat er mich vor zwei Jahren, nachdem er meine Mutter umgebracht hat, hierher verlegt.«
    »Woher wissen Sie, dass er Ihre Mutter umgebracht hat?« fragte Connie.
    »Das hat er mir gesagt. Und er hat mir auch gesagt, wie. Er beschreibt mir seine Macht, wie sie immer weiter wächst. Er hat mir sogar bestimmte Dinge gezeigt… Und ich glaube, er kann alles, was er sagt. Glauben Sie das auch?«
    »Ja«, sagte Connie.
    »Wo wohnt er?« fragte Harry, immer noch dem Nebel zugewandt.
    »Im Haus meiner Mutter.«
    »Wo ist das?«
    »Mein Verstand ist in vielen Dingen nicht klar… aber daran kann ich mich erinnern.«
    Sie gab ihm die Adresse.
    Harry glaubte ungefähr zu wissen, wo das war. Nicht weit vom Pacific View.
    Er sah wieder auf die Uhr. 2:23.
    Harry, der es kaum erwarten konnte, aus diesem Zimmer herauszukommen, und das nicht nur, weil sie mit Bryan Drackman fertig werden mussten, wandte sich vom Fenster ab. »Gehen wir.«
    Sammy Shamroe kam aus seiner düsteren Ecke. Janet erhob sich mit ihrem schlafenden Kind im Arm von dem Stuhl der Krankenschwester, und auch der Hund stand auf.
    Aber Connie hatte noch eine Frage. Es war genau die

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