Drachentränen
gehalten. Er hatte eine Zurückhaltung, die nur anerzogen sein konnte, und die Fähigkeit, Zuneigung zu erwidern, die bei Tieren - und vielleicht auch bei Menschen - entsteht, wenn sie geliebt werden.
Janet nickte.
Erst dann machte sich der Hund über seine Mahlzeit her und schnappte hungrig nach den Fleischstücken.
Ganz unerwartet erkannte Janet eine Verwandtschaft mit dem Hund, die sie irritierte. Ihre Eltern hatten sie mit einer Grausamkeit behandelt, wie sie kranke Menschen manchmal gegen Tiere richten; aber sie wären sogar mit jeder Katze oder jedem Hund menschlicher umgegangen als mit ihr. Vince war auch nicht netter gewesen. Und wenn es auch keine Hinweise darauf gab, dass man den Hund geschlagen oder ihn hatte hungern lassen, war er ganz sicher ausgesetzt worden. Obwohl er kein Halsband hatte, war er eindeutig nicht wild aufgewachsen; denn er war zu sehr darum bemüht, alles richtig zu machen, und zu sehr von Zuneigung abhängig. Ausgesetzt zu werden war nur eine andere Form von Misshandlung, was bedeutete, dass Janet mit dem Hund eine Menge Entbehrungen, Ängste und Erfahrungen gemeinsam hatte.
Sie beschloss, den Hund zu behalten, trotz der Mühen und Kosten, die er verursachen mochte. Zwischen ihnen bestand eine Bindung, die Respekt verdiente: Beide waren sie Lebewesen, die zu Mut und Engagement fähig waren - und beide waren sie in Not.
Während Woofer mit der für Hunde typischen Begeisterung fraß, streichelte ihn die junge blonde Krankenschwester, kraulte ihn hinter den Ohren und sprach zärtlich mit ihm.
»Hab* dir doch gesagt, das ist ein ganz Süßer«, sagte Loretta, die Köchin, verschränkte ihre Arme über ihrem riesigen Busen und strahlte Woofer an. »Der sollte wirklich beim Film sein. Ein echter kleiner Charmeur.«
»Er gehört mir«, sagte Danny besorgt und wieder so leise, dass nur Janet ihn gehört haben konnte. Er stand neben ihr und hielt sich an ihr fest. Sie legte beruhigend eine Hand auf seine Schulter.
Nachdem er etwa die Hälfte gefressen hatte, sah Woofer plötzlich von der Schale auf und betrachtete Angelina neugierig. Sein gesundes Ohr richtete sich wieder auf. Er schnupperte an ihrer gestärkten weißen Uniform, ihren schlanken Händen, dann schob er seinen Kopf unter ihre Knie, um den Geruch ihrer weißen Schuhe aufschnappen zu können. Er schnupperte wieder an ihren Händen, leckte ihre Finger, hechelnd und jaulend und immer aufgeregter auf der Stelle tänzelnd.
Die Schwester und die Köchin lachten, weil sie dachten, dass Woofer nur auf das gute Fressen und all die Aufmerksamkeit, die er bekam, reagierte, doch Janet wusste, dass er auf etwas anderes ansprach. Zwischen all dem Hecheln und Jaulen hörte man immer wieder ein kurzes, tiefes Knurren, als ob er einen Geruch witterte, der ihm nicht gefiel. Und sein Schwanz hörte auf zu wedeln.
Ohne Warnung und zu Janets äußerstem Missfallen wand sich der Hund aus Angelinas streichelnden Händen, schoss um sie herum, flitzte an Danny vorbei, durch die Beine der Köchin und geradewegs durch die offene Tür in die Küche.
»Woofer, nein!« schrie Janet.
Der Hund hörte nicht auf sie, lief weiter, und alle, die in der Gasse gestanden hatten, liefen hinter ihm her.
Das Küchenpersonal versuchte, Woofer einzufangen, aber er war zu schnell für sie. Er wich aus und täuschte sie durch Finten. Seine Krallen klickten auf dem Fliesenboden. Er krabbelte unter Essensanrichten, rollte sich, sprang und änderte immer wieder abrupt seine Richtung, um grapschenden Händen zu entkommen, wobei er sich wie ein Aal schlängelte, hechelte, grinste und offenbar seinen Spaß hatte.
Allerdings war das nicht bloß Spaß und Spiel. Gleichzeitig war er verzweifelt hinter etwas her, folgte einer schwer aufzunehmenden Fährte, schnupperte auf dem Fußboden und in der Luft. Die Öfen, in denen die süßen Brötchen gebacken wurden und aus denen eine wahre Flut von Düften herauskam, die einem das Wasser im Mund zusammenlaufen ließen, schienen ihn nicht zu interessieren, und er sprang auch nicht auf Anrichten, auf denen Essen stand. Ihn interessierte etwas anderes, etwas, das er zunächst an der jungen blonden Krankenschwester namens Angelina entdeckt hatte, was auch immer es war.
»Böser Hund«, rief Janet immer wieder, während sie sich der Verfolgungsjagd anschloss, »böser Hund, böser Hund!«
Woofer warf ein paar verletzte Blicke in ihre Richtung, blieb aber nicht stehen.
Eine Hilfsschwester, die nicht bemerkt hatte, was in der Küche
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