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Drachenwacht: Roman (German Edition)

Drachenwacht: Roman (German Edition)

Titel: Drachenwacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Naomi Novik
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Frankreich, China oder jede andere Nation. Sie würden keinerlei Skrupel haben, jede denkbare Gemeinheit zu begehen, um seine Vernichtung zu erreichen. Für sie war Temeraire nichts als ein unbequemes Tier.
    »Ich schätze«, sagte Granby mit einem Mal aus der Dunkelheit heraus, »dass er darauf bestanden hat. Ich meine, dass Sie das Heilmittel nach Frankreich bringen.«
    »Hat er«, bekräftigte Laurence einen Augenblick später, aber er wollte sich nicht unter Temeraires Flügeln verstecken. »Ich schäme mich, es sagen zu müssen, aber zuerst wurde er dazu gezwungen. Ich schäme mich dafür. Aber ich will nicht, dass Sie denken, ich sei gegen meinen Willen weggebracht worden.«
    »Nein«, entgegnete Granby, »nein. Ich meinte nur, dass Sie von allein nicht darauf gekommen wären.«
    Diese Feststellung traf zu, aber sie fühlte sich wenig schmeichelhaft an, auch wenn Laurence davon ausging, dass Granby sie als Trost gemeint hatte. Ein plötzliches, schneidendes Gefühl durchfuhr ihn und nahm ihm den Atem: Einsamkeit und noch etwas anderes, eine schwer zu beschreibende Empfindung, die dem Gefühl von Heimweh nahe kam. Er sehnte sich so sehr danach, Temeraire wiederzusehen. Beinahe drei Monate waren vergangen, seitdem Laurence zuletzt unter seinem schützenden Flügel geschlafen hatte, damals, in den nördlichen Bergen. Der Verrat war bereits begangen worden, und sie hatten sich einige Stunden gestohlen, ehe sie den letzten Flug über den Kanal wagten, der ihr Schicksal besiegelt hatte. Seitdem
hatte es eine endlose Reihe von Gefängnissen für sie beide gegeben, in denen sie mehr oder weniger brutal behandelt worden waren. Wie schwer mussten diese Monate für Temeraire gewesen sein, allein, ohne Freunde und unglücklich, in einem Zuchtgehege voller wilder Tiere und Veteranen, die vermutlich durch keinerlei Befehle oder Disziplin daran gehindert wurden, Kämpfe auszufechten.
    Granby und er schwiegen wieder und gingen nach und nach an jeder einzelnen der Lichtungen vorüber. Rechts und links von ihnen war das mühlenartige Grollen schlafender Drachen zu hören, die ihr Abendessen bereits verspeist hatten. Ihre Besatzungen machten sich im Schein einiger Laternen an ihren Geschirren zu schaffen, leise verhallte das schwache Klirren der Schmiedehämmer, und in der Luft lag der scharfe, beißende Geruch von Lederöl. Nach der letzten Lichtung legten sie eine lange Wegstrecke durch die Dunkelheit zurück und kletterten einen steilen Hang hinauf, bis sie auf einer Hügelspitze ankamen, die auffallend hervorstach und einen Blick über das gesamte Lager eröffnete. Dort lag Iskierka, den stachligen, schlanken Körper eng zusammengerollt, und schlief, dicht umgeben von den Wilddrachen rings um sie herum. Bei jedem Atemzug quoll Dampf aus ihren Stacheln.
    Als sie sich ihr näherten, öffnete sie mühsam ein Auge und fragte schläfrig: »Hat die Schlacht schon angefangen?«
    »Nein, meine Liebe, du kannst weiterschlafen«, beruhigte sie Granby. Sie seufzte und schloss die Augen wieder, aber sie hatte die Aufmerksamkeit der anderen Männer auf sich gelenkt. Sie blickten von ihrer Arbeit hoch, ließen den Blick von Laurence zu Granby wandern, senkten dann wieder ihre Köpfe und verloren kein einziges Wort.
    »Vielleicht sollte ich lieber nicht bleiben«, sagte Laurence. Er kannte einige der Gesichter: Es waren Männer aus seiner eigenen Mannschaft, einige seiner früheren Offiziere. Er war froh zu sehen, dass sie hier eine neue Position gefunden hatten.
    »Unsinn«, sagte Granby. »Ich bin nicht so ein elendiger Feigling.«
Als er Laurence in sein eigenes Zelt führte, das sich in dem angenehm warmen Strom heißen Dampfes befand, den Iskierka unablässig produzierte, fügte er etwas verzagter hinzu: »Und überhaupt könnte ich nicht mehr tiefer in der Tinte sitzen, nach gestern. Sie ist verzogen, ein anderes Wort gibt es nicht dafür. Sie kann sich in keine Formation eingliedern, keine Signale befolgen … Sie hat die Wilddrachen mitgenommen…« Er zuckte mit den Schultern, hob eine Flasche vom Boden auf und goss beiden ein Glas ein. Seines leerte er ungewohnt energisch.
    »Auf Patrouillenflügen macht sie sich nicht schlecht«, sagte Granby und wischte sich den Mund ab. »Man muss sie nicht lange bitten, nach dem Feind Ausschau zu halten, und dann nimmt sie auch Anweisungen an, um die Sache zu erleichtern. Das fällt mir schon gar nicht mehr auf. Aber in einem Flottenmanöver … Ich meine, es ist ja nicht so, dass sie

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