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Drachenwacht: Roman (German Edition)

Drachenwacht: Roman (German Edition)

Titel: Drachenwacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Naomi Novik
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konnte ihr ihre Entscheidung nicht vorhalten, auch wenn er lieber mit ihr allein gewesen wäre. Er fühlte sich außerstande, in Gegenwart von Zeugen so mit ihr zu sprechen, wie er es sonst gerne getan hätte. Schließlich stellte sie das Glas ab und setzte sich hinter ihren Schreibtisch. »Morgen wirst du mit einem Kurierdrachen nach Pen Y Fan fliegen«, begann sie müde, ohne ihn anzusehen. »Dort haben sie Temeraire untergebracht. Wirst du ihn zurückbringen?«
    »Ja, natürlich«, erwiderte Laurence.
    »Es ist tatsächlich sehr wahrscheinlich, dass sie dich später hängen werden, es sei denn, du bringst etwas wirklich Heroisches zustande«, sagte Jane.
    »Wenn ich der Justiz hätte aus dem Weg gehen wollen, wäre ich in Frankreich geblieben«, sagte Laurence. »Jane …«
    »Admiral Roland, wenn du die Güte hättest«, fuhr sie ihn an. Nach einem Augenblick des Schweigens fuhr sie fort: »Ich kann dir keinen Vorwurf machen, Laurence. Der Himmel weiß, dass es eine unschöne Angelegenheit war. Aber wenn ich etwas zum Guten wenden will, kann ich nicht gleichzeitig die verdammten Lordschaften und Napoleons Drachen bekämpfen. Frette wird dich zum Offizierszelt bringen, damit du etwas essen und dir ein Plätzchen zum Schlafen suchen kannst. Morgen wirst du abreisen, und wenn du wieder zurück bist, wirst du in einer Formation unter dem Kommando von Admiral Sanderson fliegen. Das wäre alles.« Sie nickte ihm zu, und Frette räusperte sich und hielt die Plane vor dem Zelteingang für ihn hoch. Laurence blieb nichts anderes übrig, als sich zu bücken und sich langsam zurückzuziehen. Er wünschte, er hätte nicht mehr gesehen, wie sie ihre Stirn auf die zusammengeballte Faust stützte und sich ein bitterer Zug um ihren Mund schlich.
     
    Es herrschte eine entsetzlich angespannte Atmosphäre, als er in Begleitung von Frette das große Speisezelt der Offiziere betrat. Er konnte niemanden seiner engsten Bekannten entdecken, und er war froh, die Last dieses Wiedersehens erst später schultern zu müssen. Allerdings warfen ihm mehrere Kapitäne, die er kaum kannte, Bemerkungen zu, und er konnte nur so tun, als höre er sie gar nicht. Noch schlimmer waren das Unbehagen und die gesenkten Gesichter jener, die ihn zwar nicht beschimpfen, aber trotzdem seinem Blick nicht begegnen wollten.
    Auf ein solches Verhalten war er vorbereitet gewesen. Weniger gewappnet war er jedoch, als ein Gentleman, den er vielleicht zweimal zuvor im Gemeinschaftsraum der Offiziere in Dover gesehen hatte, ungebeten seine Hand ergriff und sie auf unangenehme Weise energisch auf und ab schwang. »Darf ich Ihnen die Hand schütteln, Sir«, rief Kapitän Hesterfield dabei, und es war bereits zu spät, diese Bitte
abzuschlagen. Dann drängte er Laurence beinahe unter Körpereinsatz an seinen Tisch in der Ecke und stellte ihn seinen Begleitern vor.
    Sechs Offiziere drängten sich an dem kleinen, in die Ecke gezwängten Tisch, darunter zwei Preußen. Einen davon, von Pfeil, erkannte Laurence von der Belagerung von Danzig wieder. Der andere erhob sich und drückte ihm die Hand, ehe er sich selbst als Cousin von Kapitän Dyhern vorstellte, mit dem sie in der Schlacht von Jena gekämpft hatten. Sie waren aus ihrem eigenen Land geflohen und hatten sich dafür entschieden, lieber im Exil zu leben und England zu dienen, als sich Napoleon zu ergeben, wie er es den preußischen Offizieren angeboten hatte.
    Ein anderer Fremder, Kapitän Prewitt, war einige Monate zuvor aus Verzweiflung nach England gerufen worden. Sein Winchester war der Epidemie entkommen, da sie ursprünglich dem Stützpunkt in Halifax zugeordnet gewesen waren. Dort hatte man ihn stationiert und auf eine einsame Botenrunde durch Quebec geschickt, um ihn aus dem Weg zu schaffen, damit niemand seine radikalen politischen Ansichten zu hören bekäme, die er freimütig zu äußern pflegte.
    »Vielleicht wollten sie auch meine Gedichte nicht länger ertragen«, sagte Prewitt und lachte in sich hinein. »Aber mein Stolz kann die Schmähung meiner politischen Überzeugung eher ertragen als die meiner Kunst, und so habe ich mich entschieden, Ersteres als Grund anzunehmen. Und das hier ist Kapitän Latour. Ein französischer Royalist, der eine Wandlung zum englischen Offizier durchgemacht hat. Hesterfield und die zwei anderen, Reynolds und Gounod, sympathisierten mit der politischen Gesinnung Prewitts, auch wenn sie sich bei dem Thema etwas bedeckter hielten als er.« Nach und nach begriff Laurence,

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